Das ist passiert: In den Niederlanden sollen mindestens 85 Männer als Samenspender jeweils 25 oder mehr Kinder gezeugt haben. Das teilte die nationale Organisation für Gynäkologie und Geburtshilfe mit. Erlaubt wären dort seit 2018 maximal 12 Kinder pro Spender. Doch offenbar gab es Schwierigkeiten bei der Durchsetzung dieses Gesetzes, was nun zu einer «medizinischen Katastrophe» führte, so niederländische Expertinnen und Experten in einem Bericht von «The Guardian». Denn das bedeute, dass mindestens 3000 Kinder 25 oder mehr Halbgeschwister hätten. Es bestehe die Gefahr, dass es später zu möglichen Inzest-Fällen kommen könnte.
Die Regulierung in der Schweiz: Solche Fälle sind in der Schweiz kaum möglich. Die hiesige Regulierung der Samenspende sei sehr sorgfältig, sagt Gideo Sartorius, Reproduktionsmediziner und Fachperson für Samenspende beim Kinderwunschzentrum Fertisuisse. Die Daten werden hier zentral im Eidgenössischen Amt für Zivilstandswesen gesammelt. Gesetzlich dürfen maximal acht Kinder pro Spender gezeugt werden.
Die Kontrolle: Bei einer offiziellen Samenspende braucht das Zentrum aber eine Bewilligung für reproduktionsmedizinische Tätigkeiten und für die Durchführung von Samenspenden. Eine Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgaben führt jeweils der kantonsärztliche Dienst durch. Wer privat Samen spendet oder Kinder zeugt, wird nicht kontrolliert. «Das ist auch richtig, dass wir als Gesellschaft keine Kontrolle über die Schlafzimmer haben», sagt Sartorius.
Hintergrund der Regulierung: Mit der Regulierung von maximal acht Kindern pro Spender soll laut Sartorius das Risiko minimiert werden, dass unbewusste Beziehungen zwischen Halbgeschwistern eingegangen werden. Dieses Risiko sei zwar klein, doch ausgeschlossen sei es nicht. Hinzu kommen psychologische Auswirkungen auf die Kinder. «Wir wissen von Kindern, die von Massenspendern gezeugt wurden, dass das eine entpersonalisierende Wirkung haben kann. Das ist eine Belastung für Kinder», erklärt Sartorius.
Massenspender in der Schweiz: Reproduktionsmediziner Gideon Sartorius steht in seinem Berufsalltag selbst in Kontakt mit Spendern. «Ich habe das in den letzten Jahren nie erlebt, dass jemand Massenspender sein möchte», sagt er. Die Spender seien meistens im Voraus über die rechtliche Situation in der Schweiz informiert worden. «Häufig möchten sie spenden, weil sie selber Bekannte oder Verwandte haben, die bedürftig waren.» Die Spender in der Schweiz müssen mit einer Unterschrift bestätigen, dass sie maximal acht Kinder zeugen und nur an einem Schweizer Zentrum spenden dürfen. Dieser Umstand reduziere das Risiko von Massenspenden zusätzlich, sagt Sartorius.
Suche nach geeigneten Spendern: Spender in der Schweiz müssen einige Kriterien erfüllen. «Wir wollen Spender haben, die gesund sind, eine gute Spermienqualität haben – auch nach dem Einfrieren und Wiederauftauen – und die eben auch eine gute, altruistische Motivation für die Spende mitbringen», erklärt Sartorius. Ein Druck, als geeigneter Spender viele Kinder zu zeugen, existiert seiner Meinung nach aber nicht. Auch Geld sei vermutlich nicht der Anreiz, denn «die Aufwandsentschädigung ist relativ bescheiden». Sartorius schätzt die Gefahr eines ähnlichen Skandals wie in den Niederlanden für die Schweiz daher als relativ gering ein.