Bald hätte es losgehen sollen mit dem Pilotprojekt in Birmensdorf: Mit einem Armband mit Bluetooth-Funktion hätten die Kinder des Horts auf dem Schulgelände getrackt werden können. Damit wäre für die Aufsichtspersonen jederzeit ersichtlich gewesen, wo sich welches Kind aufhält.
Nun ist das Projekt nach einem Infoabend mit den Eltern aber auf Eis gelegt. Der Grund: «Der Abend hat gezeigt, dass das Pilotprojekt in einigen Bereichen gewisse Fragen und Bedenken auslöst.» Die Verantwortlichen an der Schule Birmensdorf würden diese Rückmeldungen ernst nehmen und hätten deshalb beschlossen, das Projekt vorerst zurückzustellen, heisst es in einer Mitteilung, die SRF vorliegt.
Damit hätten alle die Gelegenheit, sich mit den offenen Fragen noch einmal kritisch und konstruktiv auseinanderzusetzen, bevor über das weitere Vorgehen definitiv entschieden werde.
Sicherheitsbedürfnis vs. Angstgesellschaft
Entschieden gegen ein Tracking ist Thomas Minder. Der Leiter der Volksschule im thurgauischen Eschlikon und Präsident des Verbandes Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz sagt, dass ein solches System für Aufsichtspersonen keine Entlastung bringe: «Dann sind die Aufsichtspersonen statt mit dem Kind einfach mit dessen Überwachung beschäftigt.»
Auch bei Ausflügen wie Schulreisen sei ein Tracking nicht nötig. «Man zählt schnell durch oder macht Zweierteams, so hat man schneller den Überblick, wer da ist und wer nicht. In der Pädagogik geht es darum, dass Menschen miteinander Kontakt haben.»
Etwas versöhnlicher ist die Erziehungswissenschaftlerin und psychologische Pädagogin Margrit Stamm. Sie sieht das Problem eher bei der Gesellschaft und den Eltern als bei den Schulen. Denn: «Wir leben in einer Angst-, Sicherheits- und Kontrollgesellschaft, und Eltern stellen immer höhere Anforderungen an Schulen, Kitas oder Horte.»
Forschung zeigt eher negative Auswirkungen
Allgemein sind solche Ortungssysteme bei Eltern immer weiter verbreitet. «Das ist nachvollziehbar», so Stamm. «Eltern stehen unter dem Stress, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen. Tracking scheint eine gute Lösung, um Sicherheit und Familienalltag zu managen.»
Doch: Die Forschung zeige, dass die Auswirkungen von Tracking eher hinderlich seien, so Stamm. «Eltern, die ihre Kinder dauerüberwachen, produzieren Kinder, die ängstlich werden, nicht selbstständig, nicht selbstsicher und nur auf die Eltern fokussiert sind. Denn die Eltern führen sie mit grosser Sorge durchs Leben.»
Ich empfehle Eltern, selbstbewusster zu werden. Man kann sein Kind nie vor allen Gefahren des Lebens schützen. Es braucht Vertrauen in die Kinder.
Auch die Eltern-Kind-Beziehung kann dadurch negativ beeinflusst werden. «Kinder lernen so nicht, wie man Selbstverantwortung übernimmt. Sie werden später auch weniger belastbar, wenn ihre Eltern ihnen alle Hürden aus dem Weg räumen.»
Grundsätzlich können sowohl Margrit Stamm als auch Thomas Minder das Sicherheitsbedürfnis der Menschen verstehen. Aber: «Die Kriminalitätsrate pro Kopf und auch die Unfallgefahr sind in den letzten 100 Jahren massiv gesunken. Objektiv gesehen ist unsere Welt sehr viel sicherer geworden», so Minder.
Doch es gebe Eltern, die in Panik geraten, wenn sich die Kinder ausserhalb der virtuellen Grenze befänden. Und Stamm ergänzt: «Ich empfehle Eltern, selbstbewusster zu werden. Man kann sein Kind nie vor allen Gefahren des Lebens schützen. Es braucht Vertrauen in die Kinder.»