Hogwarts, es ist das wohl bekannteste Internat der jüngeren Film- und Literaturzeit. Die Geschichten rund um den jungen Zauberlehrling Harry Potter spielen an diesem ganz besonderen Ort. Auch fernab von jeglicher Zauberei werden Schulheime zu beliebten Spielstätten.
Laut Christine Lötscher, Professorin für Populäre Literaturen und Medien an der Universität Zürich, haben die unglaublichen Erfolge rund um J.K. Rowlings Bücher einen Einfluss auf zahlreiche weitere Geschichten, die in Internaten stattfinden.
Lötscher sagt: «Es gibt sogar Literaturwissenschaftlerinnen, die sagen: Eigentlich hat J.K. Rowling das totgeglaubte Genre vom Internatsroman in der Kinderliteratur neu erfunden und wiederbelebt. Dieser Schauplatz war ein Geniestreich von ihr: dass sie etwas ganz Vertrautes nimmt – was in der englischen Kinderliteratur schon seit dem 19. Jahrhundert ganz wichtig war – und es in eine fantastische Welt verwandelt.»
Das Erfolgsrezept Internat
Auch für weitere Projekte wird das Internat zum Schauplatz. So spielen die Geschichten rund um «TKKG», «Hanni und Nanni», «Der Club der toten Dichter» («Dead Poets Society»), «Wednesday» oder «Die Kinder des Monsieur Mathieu» in den Schulheimen.
Christine Lötscher kennt das Erfolgsrezept hinter der besonderen Spielstätte: «Internate als Schauplätze von Geschichten sind immer auch eine Welt im Kleinen. Man kann in dieser Welt alle Geschichten erzählen und hat ein schön abgeschlossenes Setting. Man hat die ganze Gesellschaft unter der Lupe.»
Die grosse Skepsis im deutschsprachigen Raum
Während das Internat in der angelsächsischen Literatur und Filmindustrie an Bedeutung gewinnt, ist die Thematik rund um das Schulheim in der deutschen Literatur negativ behaftet, besonders in den Werken von Hermann Hesse.
Lötscher ist sich bewusst: «Im deutschsprachigen Raum ist das Internat eher eine Erziehungsanstalt für Kinder, die im normalen Schulbetrieb Schwierigkeiten haben oder ihre Leistungen nicht bringen. Sie werden ins Internat geschickt, und dort gibt es sehr viele Repressalien.»
Raus aus dem Haus!
Dennoch verbindet all die Werke, ob angelsächsisch oder deutsch, eine Gemeinsamkeit: das Coming of Age. Internate dienen oftmals dazu, dass Jugendliche ihren Platz in der Gesellschaft finden. Nicht selten werden daher in den Internatsstücken Freundschaften, erste amouröse Annäherungen oder auffallende Auseinandersetzungen thematisiert.
Lötscher ordnet das folgendermassen ein: «Je nachdem, wie ernsthaft die Internatsgeschichten sind, geht es um Konflikte, die mit dem Erwachsenwerden zu tun haben. Konflikte zwischen Erwachsenen und Jugendlichen und dem Wertsystem der Erwachsenen, das mit den Wünschen und Bedürfnissen der Jugendlichen zusammenprallt.»