Noch heute erstarre sie, wenn sie grossen Hunden begegne, sagt Brigitte Hunziker. Deshalb vermeide sie gewisse Orte komplett. Hunziker möchte in diesem Artikel anonym bleiben. Deshalb wurde ihr Name von der Redaktion geändert.
Letzten Sommer wurde sie Opfer bei einem blutigen Zwischenfall in Flawil SG. Der Pitbull Balu riss sich von der Leine los und schlüpfte aus dem Halsband. Er sprang an der Velofahrerin hoch und biss ihr einen Teil des Ohres ab. Dieses konnte nicht wieder vollständig angenäht werden.
Schliesslich beschlagnahmte das zuständige Veterinäramt St. Gallen den Hund und schläferte ihn ein. Mithilfe eines sogenannten Wesenstests wurde zuvor beurteilt, ob vom Tier eine Gefahr ausgeht und wie gefestigt der Hund in seinem Wesen ist.
Für den Kantonstierarzt vom Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen (AVSV) St. Gallen, Albert Fritsche, war die Einschläferung die richtige Entscheidung. Seine Aufgabe sei es nicht, das Tier zu retten. Er trage die Verantwortung, dass keine weiteren Vorfälle passieren.
Aus dem Test ging eine Verhaltensstörung des Pitbulls hervor, die gefestigt sei. Laut dem Kantonstierarzt war diese auch nicht mehr abzutrainieren: «Der Hund sieht Menschen als Beute.» Diese Prägung komme laut Fritsche äusserst selten vor, sei dafür aber umso gefährlicher. Man könne das Risiko eines erneuten Angriffs nicht eingehen.
Für die Besitzerin Sabrina Forrer sitzt der Schock tief. Sie hält ihren zweiten Hund Luna, einen Amstaff, fest an der Leine, als «SRF Impact» sie in Flawil besucht. Sie schildert den Vorfall aus zweiter Hand. Denn sie führte den Hund an jenem Tag nicht selbst aus. Es war ihre Mitbewohnerin, die samt Leine und Maulkorb mit Balu spazieren ging. Laut Forrers Erzählungen habe man auf das Tier eingeschlagen, bevor es zupackte.
Hunziker, das Opfer des Bisses, schildert die Szene anders. Laut der Betroffenen trat ihr Partner den Hund erst, nachdem er zugebissen hatte. Das Verfahren unter dem Tatbestand fahrlässiger Körperverletzung ist bislang nicht abgeschlossen.
Doch wie konnte es so weit kommen, dass der Hund zupackte? Forrer erzählt, dass Balu kein auffälliges Verhalten gegenüber Menschen gezeigt hatte. Als Welpe sei der Hund jedoch von einem anderen Hund gebissen worden. Deshalb habe sie ihn auch immer vor grösseren Hunden abgeschirmt. Diese Erziehungsmethode bereue sie heute, wie sie sagt: «Es gab Dinge, die ich in der Erziehung anders hätte machen können. Ich hatte Angst und habe teilweise den Hundekontakt vermieden. Das war ein Fehler von mir.»
Retrospektiv würde die Hundebesitzerin ausserdem nur noch einen Hund dieser Art auf einmal halten: «Mein ganzer Fokus kann so auf einem Tier sein.»
Auch für das Opfer hallt der Vorfall noch stark nach, wie die Frau gegenüber «SRF Impact» schildert. Sie kämpfe nach wie vor mit der psychischen Belastung und dem Erscheinungsbild ihres Ohres.