Maskiert gegen das Verhüllungsverbot. Bundesrätin Karin Keller-Sutter war sich diese Woche beim Auftritt gegen die Verhüllungsinitiative der schrägen Symbolik bewusst. «Dass wir hier jetzt alle Maske tragen und ich sogar mit einer Maske spreche, hätte ich vor einem Jahr sicher nicht gedacht», sagte sie. Sie müsse sich immer noch daran gewöhnen, die Mimik des Gegenübers nicht zu sehen.
Noch nicht ganz gewöhnt vielleicht, aber wir alle suchen einen Umgang damit. Mehr noch: Der Kommunikationswissenschaftler Thomas Friemel von der Universität Zürich untersucht die Einstellung der Menschen zu den Corona-Massnahmen.
Ein Gesinnungswandel?
Friemel geht davon aus, dass einige den Masken unterdessen sogar Positives abgewinnen können: «Zumindest bei gewissen Personen dürfte die persönliche Erfahrung mit dem Maskentragen zur Einsicht geführt haben, dass das Verschleiern auch gewisse Vorzüge bietet. Etwa wenn man sich in der Öffentlichkeit gerne etwas abgrenzen oder vielleicht sogar verstecken möchte.»
Tatsächlich zeigen Friemels Zahlen: Seit November ist die Akzeptanz der Masken konstant hoch. Sie liegt bei etwa 90 Prozent. Ob das die Einstellung zu religiös verhüllten Frauen geändert hat, ist eine andere Frage. Friemel bezweifelt einen solchen Gesinnungswandel: «Die Verhüllungsgegner sehen das Verschleiern nicht als individuelle Entscheidung. Sondern wahlweise als Unterdrückung der Frauen oder offensichtlichen, demonstrativen Bruch mit den lokalen Gepflogenheiten.»
Die Verhüllungsgegner sehen das Verschleiern nicht als individuelle Entscheidung.
Verändert die Maskenpflicht die Einstellung doch?
Das sei allerdings eine falsche Annahme, wie die Forschungen des Luzerner Islamwissenschafters Andreas Tunger-Zanetti zeigen. Er hat soeben ein Buch über die Burka-Debatte veröffentlicht.
Fazit: Es gebe in der Schweiz nur rund 30 Frauen mit religiöser Gesichtsverhüllung, und diese hätten sich grossmehrheitlich aus eigener Überzeugung dafür entschieden. Zum Teil hätten sie in den letzten Jahren negative Reaktionen bis hin zu Handgreiflichkeiten zu spüren bekommen. Seit Corona und Maskenpflicht scheine das abzunehmen. Offenbar verändere sich der Blick auf Gesichtsmasken, wenn viele diese immer wieder mal tragen müssten.
Es scheint, dass das regelmässige Tragen von Gesichtsmasken den Blick auf Gesichtsmasken generell verändert.
Unterdessen hätten wir Übung damit, mit jemandem zu kommunizieren, von dem wir nur die Augen sähen, sagt der Islamwissenschafter. Diese Erfahrung werde die Meinungsbildung bei der Verhüllungsabstimmung beeinflussen: «Es macht es wahrscheinlich schwieriger, das Argument zu vertreten, mit vollverschleierten Frauen sei eine Kommunikation gar nicht möglich.»
Egerkinger Komitee macht das Beste draus
Den Initiantinnen und Initianten des Egerkinger Komitees kommt der Zeitpunkt der Abstimmung ungelegen. Daraus macht SVP-Nationalrat Walter Wobmann kein Geheimnis: «Jetzt herrscht ein Ausnahmezustand. Das haben wir nicht gesucht, aber wir leben damit.»
Jetzt herrscht ein Ausnahmezustand. Das haben wir nicht gesucht, aber wir leben damit.
Sie betonen, dass es bei der Abstimmung nicht um Hygienemasken gehe und dass für diese Ausnahmen vorgesehen seien. In ihrer Abstimmungszeitung prangt eine Pflegefachkraft mit Mundschutz und Plastikvisier neben einer bis auf die Augen verhüllten Muslimin mit Gesichtsschleier. Die eine Verhüllung schütze die Volksgesundheit, die andere entwürdige die Frau, so das Komitee.