Die Polizei von Sanford in Florida hatte einen Mann am Telefon. Er berichtete von einem Verdächtigen: «Der Typ sieht aus, als hätte er etwas Ungutes vor.» Der Polizist reagiert unaufgeregt: «Okay – und dieser Typ, ist er weiss, schwarz, oder hispanisch?» Antwort des Anrufers: «Er schaut schwarz aus.» Der Polizist fragt nach: «Folgen Sie ihm?» Anrufer: «Ja.» Polizist: «Okay, das müssen sie nicht tun.» Kurz darauf hören die Anwohnerinnen und Anwohner in der Nachbarschaft einen Schuss.
Es war der Tod des damals 17-jährigen Trayvon Martin durch ein Mitglied einer Bürgerwehr und der darauffolgende Freispruch des Angeklagten, welcher den Beginn jener Bewegung markierte, die später unter dem Namen «Black Lives Matter» weltweite Ausdehnung erfahren sollte.
Black people. I love you. I love us. Our lives matter.
Trayvon Martin war schwarz, der Angeklagte weiss – wie die Mehrheit der Jury. Nach dem Freispruch des Angeklagten postete die Bürgerrechtsaktivistin Alicia Garza auf Facebook die Worte: «Black people. I love you. I love us. Our lives matter.» Garzas Freundin, Patrisse Cullors, machte daraus den Hashtag #BlackLivesMatter, schwarze Leben zählen.
«‹Black Lives Matter› ist unser Aufruf zum Handeln», erklärte Cullors Jahre später, und Alicia Garza fügt an: «Rasse bewegt sich in den USA immer noch auf einem Spektrum zwischen Schwarz und Weiss.»
Ein Jahr später starb der sechsfache Familienvater Eric Garner im Würgegriff eines Polizisten mit den berühmten letzten Worten «I can’t breathe», ich kann nicht atmen.
«Black Lives Matter» gewann an Bedeutung. Die USA hatten inzwischen ihren ersten schwarzen Präsidenten, doch Rassismus war damit nicht überwunden: «Rasse bleibt eine mächtige und oft spaltende Kraft in unserer Gesellschaft», so Barack Obama in seiner Abschiedsrede aus dem Weissen Haus.
Grösste soziale Bewegung
Wie recht er hatte, zeigte sich spätestens mit dem Fall George Floyd. Neun Minuten und 29 Sekunden kniete der Polizist Derek Chauvin auf dem Hals von Floyd. Und er blieb knien, selbst als sich George Floyd nicht mehr bewegte.
Die soziale Bewegung, die auf den Tod von George Floyd folgte, war eine der grössten in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Millionen gingen auf die Strasse. Und in den sozialen Medien wuchs sie explosionsartig.
In den sieben Tagen zwischen dem Tod von George Floyd am 25. Mai 2020 und dem Angriff der Polizei auf Protestierende im Lafayette Park vor dem Weissen Haus zählte das Internet unter dem Hashtag #BlackLivesMatter rund 3.4 Millionen Posts und 69 Milliarden folgende Interaktionen.
«Defund the Police»
Doch im Erfolg lauerte auch schon die Stagnation. Heute unterstützen gemäss einer jüngsten Umfrage weniger Amerikanerinnen und Amerikaner «Black Lives Matter» als unmittelbar nach George Floyds Tod.
Zwar hält noch immer mehr als die Hälfte der Befragten «Black Lives Matter» für richtig und wichtig, aber der Slogan «defund the police» – entzieht der Polizei das Geld – hat die Bewegung viele Sympathien gekostet.
Wenn wir nicht mehr sagen müssen, dass schwarze Leben zählen, wissen wir: Wir haben das Ziel erreicht!
Gleichzeitig wurde Polizist Chauvin in zwei Verfahren zu jeweils mehr als 20 Jahren Haft verurteilt. Zwei Urteile, die den Protestierenden von damals Hoffnung geben, dass sich etwas ändert.
«Das Ziel ist es, keine Schilder mit ‹Black Lives Matter› mehr hochhalten zu müssen», sagte die Tante von George Floyd kürzlich anlässlich seines dritten Todestages. «Wenn wir nicht mehr sagen müssen, dass schwarze Leben zählen, wissen wir: Wir haben das Ziel erreicht!»