Die berühmte Bauhaus-Architekturschule wurde von Walter Gropius in Weimar gegründet. Von 1925 bis 1932 hatte sie ihren Sitz Dessau. Das Bauhaus sei etwas vom Modernsten und Liberalsten gewesen, was die Weimarer Republik und Sachsen-Anhalt zu bieten hatten, sagt Rainer Haseloff, CDU-Ministerpräsident des ostdeutschen Bundeslandes.
Das Bauhaus war aber auch der Lieblingsfeind der Nationalsozialisten. 1932 musste es von Dessau nach Berlin umziehen. 1933 wurde es geschlossen.
Wirtschaftskrise und Rekordarbeitslosigkeit
Man müsse die damaligen Ereignisse analysieren, sagt Rainer Haseloff. 1928 errangen die Nationalsozialisten in Anhalt 2 Prozent Wähleranteil, 1932 waren es 41 Prozent. Dazwischen lagen Weltwirtschaftskrise und Rekordarbeitslosigkeit.
«Noch höhere Arbeitslosigkeiten hatten wir nach der Wiedervereinigung in unseren ostdeutschen Bundesländern zu verzeichnen, welche der Sozialstaat zwar abzumildern half», sagt Haseloff. «Aber auf der anderen Seite gab es auch kritische Situationen, die den Menschen im Hinterkopf geblieben sind.»
Eine solch kritische Situation war die Flüchtlingskrise vor drei Jahren. Gerade in Ostdeutschland sei der Glaube an die bundesrepublikanische Demokratie viel fragiler als im Westen, gibt Haseloff zu bedenken. Die Menschen haben einen Staat, die DDR, untergehen sehen, und sie trauen ihm viel weniger.
Die Folge: Die AfD kam bei den Landtagswahlen 2016 in Sachsen-Anhalt von 0 auf 24.2 Prozent. Gerade deshalb verlangen die ostdeutschen Ministerpräsidenten für den Kohleausstieg lange Auslaufzeiten und Milliarden.
Sichere Arbeitsplätze, keine Erhöhung der Strompreise, das sei entscheidend, damit das politische System nicht destabilisiert werde. «Das darf nicht unterschätzt werden», warnt Haseloff. Aber die Wirtschaft ist laut dem Ministerpräsidenten bloss das Eine. Das Andere sei gerade im Osten die Grundsatzfrage: Wo will die EU mit ihrer langfristigen Politik eigentlich hin?
Skepsis gegenüber direkter Demokratie
Die Monarchie, die Weimarer Republik, das Dritte Reich und der Kommunismus: Kein System habe den Menschen im Bundesland Sachsen-Anhalt wirklich entsprochen, sagt Haseloff. Und er höre immer wieder: «Jetzt sind wir zum ersten Mal stolz darauf, Deutsche zu sein, in einer Friedensgemeinschaft der EU, und nun soll uns das abgesprochen werden.»
Die Vertiefung der EU stösst im Osten auf grosse Skepsis. Auf grosse Skepsis in ganz Deutschland stiessen nach dem Untergang der Weimarer Republik und dem Aufstieg der Nationalsozialisten die direktdemokratischen Elemente der damaligen Weimarer Verfassung. Das hat Auswirkungen bis heute.
Auch repräsentative Demokratie ist Demokratie
Als Schweizer stellt man zwar fest, dass Deutschland ohne Zweifel eine Demokratie ist, dass man aber dem Volk seit Weimar nicht wirklich traut.
Haseloff sieht das anders: «Man traut dem eigenen Volk schon, denn anders als in anderen Nationalstaaten gibt es hier fast kein Quartal, in dem nicht gewählt wird.» Und diese Wahlen hätten immer sofort einen Effekt.
Auch eine repräsentative Demokratie sei eine Demokratie: «Das ist ein System, das sich eingespielt hat und ausreichend Artikulationsmöglichkeit aufweist, ohne dass man zum Rütlischwur zurückkommen muss.» Die Gründung der Weimarer Republik liegt zwar 100 Jahre zurück. Aber die Angst vor der Fragilität der Demokratie ist noch lebendig, gerade im Osten.