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DDR: «Umweltschutz war damals das dringendste Problem»
Aus Echo der Zeit vom 03.10.2019. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 53 Sekunden.

30 Jahre DDR-Ende Grüne Revolution als Anfang vom Untergang

Vor 30 Jahren zerbrach die DDR. Dazu beigetragen haben Umweltschützer und Positionen, die aktueller sind denn je.

Deutschland feiert den Nationalfeiertag, den Tag der Deutschen Einheit und der Wiedervereinigung der beiden Deutschland. Es gibt diverse Gründe, weshalb der sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern unterging. Politische, wirtschaftliche oder soziale – aber auch ökologische. Die Zerstörung der Umwelt in der DDR hat zu deren Untergang beigetragen.

Die Stasi, der DDR-Geheimdienst, bezeichnete die Ost-Berliner «Umweltbibliothek» kurz nach ihrer Gründung 1986 als eine der gefährlichsten Oppositionsbewegungen der DDR. Das alleine sagt schon sehr viel aus über die politische Brisanz des Umweltthemas in der DDR. Die Menschen sahen, wie ihre Umwelt zugrunde ging, die Wälder, die Städte, die Flüsse.

Mit der natürlichen und der gesellschaftlichen Umwelt wollte man so nicht mehr weiter umgehen.
Autor: Ilko Sascha Kowalcuzk Historiker

«Das waren die ersten Auseinandersetzungen mit der DDR gewesen», sagt der Fotograf Aram Radomski, der die Umweltbibliothek damals auch mit Material versorgt hatte. Weil Widerstand gegen den Staat gefährlich war, begannen die Menschen mit scheinbar unverfänglicheren Themen. «Die Themen des Umweltschutzes waren naheliegend, um auf Themen hinzuweisen, die in der DDR genauso problematisch wie in West-Deutschland waren.» Saurer Regen oder Waldsterben als Beispiele.

Umweltbotschaft verbreitete sich schnell

Am 5. Juni 1988 beispielsweise veranstalteten Umweltaktivisten den 1. Pleisse-Gedenk-Umzug. Der Fluss Pleisse, wie viele Gewässer in der Umgebung von Leipzig, war biologisch tot. Der Marsch zog nur einige hundert an, aber die Botschaft verbreitete sich rasch, denn jeder sah am Umweltthema, dass die Realität und die SED-Propaganda offensichtlich nicht zusammenpassten.

Die Umweltzerstörung war der Anfang einer Lawine, als die Stasi die Umweltbibliothek in Berlin stürmte. «Die Fragestellungen der Leute gingen über den Umweltschutz hinaus und das öffentliche Gespräch dynamisierte sich.»

Plakat «Umweltbibliothek»
Legende: Für die Stasi war die «Umweltbibliothek» eine der gefährlichsten Oppositionsbewegungen der DDR. wikipedia/Klaus Oberst

Auch nach dem Fall der Mauer waren sich alle in der DDR, auch die Staats-Treuen, in der Umweltfrage absolut einig, das streicht der renommierte Historiker Ilko Sascha Kowalcuzk heraus. «Ende 1989 waren sich 99 Prozent der DDR-Menschen einig, dass der Umweltschutz das drängendste Problem ist.»

Plötzlich war der Umweltschutz wieder verschwunden

Die zerstörte Umwelt war nicht der einzige Grund dafür, dass plötzlich Massen auf die Strassen gingen, aber eine latente Ursache. «Insofern war das, was sich 1989 abspielte, auch eine grüne Revolution. Mit der natürlichen und der gesellschaftlichen Umwelt wollte man so nicht mehr weiter umgehen.»

Die Umweltfrage verschwand nach dem Fall der Mauer sehr rasch wieder aus dem Fokus. Das geeinte Deutschland schaltete die extrem schmutzige DDR-Industrie einfach ab, erfüllte so mit einem Schlag auf Jahre hinaus die Klimaziele und konnte das Problem auf lange Bank schieben.

Wahlplakat der Grünen.
Legende: Das Wahlplakat der Grünen von 1990 könnte aktueller nicht sein. gruene.de

Die Abschaltung der schmutzigen Industrie aber hatte zur Folge, dass im Osten Millionen ihren Job verloren. Und so waren die Grünen bei der Bundestagswahl im Dezember 1990 mit ihrem Slogan «Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter. Saurer Regen, Ozonloch, Klimakatastrophe» völlig auf dem falschen Dampfer.

Deshalb fällt die Bilanz von Kowalcuzk relativ zurückhaltend aus. «Höchstens das Bewusstsein der Menschen war in der DDR und weiten Teilen Europas so weit wie heute. Es ging aber in den letzten Jahren merkwürdigerweise wieder verloren.» Heute allerdings könnten viele Parteien dieses Plakat der Grünen aus dem Jahr 1990 problemlos eins zu eins abdrucken.

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