Im Gartenrestaurant des Fünfsternehotels Intercontinental ist das Paradies noch intakt. Auf dem Tisch steht eine frische Kokosnuss, die Wellen schwappen an den Sandstrand und Hotelmanager Michael Koth lässt sich von einem Kellner das Mittagsmenü vorlesen und stimmt dann ein Loblied auf Bali an: «Wir sind innerhalb der zehn beliebtesten Luxusdestinationen der Welt. Und wir sind eine der zehn beliebtesten Hochzeits- und Honeymoon-Destinationen.»
Das Hotel Intercontinental liegt an der Südspitze von Bali am Strand von Jimbaran. Die Hotelanlage ist eine Art Insel auf der Insel, abgeschirmt von der Aussenwelt. Koth führt durch den Garten, vorbei an acht Schwimmbädern und Fischteichen. Gäste sonnen sich auf Liegestühlen. Der Hotelmanager schwärmt: «Wir haben hier 25 verschiedene Tierarten, Eidechsen, die übers Resort spazieren, die Kinder zählen Kois und Goldfischkarpfen – es ist wirklich ein schönes, natürliches Plätzchen.»
Bali ist das beliebteste Ferienziel in Indonesien und die Touristen bringen der Insel am meisten Geld. Die Zahl der ausländischen Touristen ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Im letzten Jahr waren über fünfeinhalb Millionen hier – mehr als die Insel Einwohner hat. Die Infrastruktur jedoch ist kaum gewachsen.
Ein Tourist verbraucht fünfmal so viele Ressourcen am Tag wie ein Balinese.
Das sei ein riesiges Problem, sagt Umweltberater Nino Lotze: «Ein Resort mit 200 Zimmern verbraucht so viele Ressourcen wie ein Dorf von 1000 Einwohnern. Ein Tourist verbraucht fünfmal so viele Ressourcen am Tag wie ein Balinese. Am meisten ist das beim Wasser zu sehen. Pro Gast werden bis zu 2000 Liter Wasser verbraucht pro Nacht. Das ist nicht so, weil der Gast so lange duscht. Nein, das ist so, weil überall Lecks sind und es kümmert sich keiner darum, das System effizient zu gestalten, weil das Wasser hier sowieso günstig ist.»
60 Prozent des Wassers wird laut Schätzungen von der Tourismus-Industrie verbraucht. Und obwohl Bali eine regenreiche, tropische Insel ist, ist das Grundwasser inzwischen auf prekäre Tiefstände gesunken. Deshalb hat Lotze vor fünf Jahren die Umweltberatungsfirma PT. Mantra Bali mitgegründet. Sie berät Hotels, wie sie ressourcensparender arbeiten können.
Tourismus sei ein zweischneidiges Schwert, sagt Lotze: «80 Prozent unserer Ökonomie kommt vom Tourismus. Man kann die Umweltzerstörung schwer anprangern, weil alle vom Tourismus so abhängig sind. Wir haben hier keine gesunde Diskussion über Umweltauswirkungen. Unsere Reisfelder verschwinden, das Wasser wird leer gepumpt, Abfall ist überall zu sehen.»
Auf dem Abfallberg
Nicht weit vom Luxus-Hotel, ebenfalls direkt am Meer, liegt der «garbage mountain», die grösste Müllhalde der Insel. Am Himmel kreisen Geier. Es stinkt bestialisch. Hunderte von Lastwagen laden hier täglich weit mehr als 1000 Tonnen Abfall ab – der grösste Teil kommt von den Hotels im Süden der Insel. Der Berg ist ungefähr 50 Meter hoch und liegt auf einer Fläche so gross wie 44 Fussballfelder.
Es ist eine von vielen Mülldeponien. Kühe staksen in Einerkolonne den Berg hoch. Fliegen summen über Babywindeln, leeren Chipstüten, Plastikflaschen und viel Undefinierbarem.
Jeden Morgen, wenn die Lastwagen von den Hotelanlagen kommen, warten die Bewohner des nahen Slums bereits auf dem Abfallberg. Sie wühlen sich durch alles, was abgekippt wird und suchen nach Plastikflaschen und anderen, wiederverwertbaren Abfällen.
Das bringe zwar ein kleines Einkommen, schaffe aber auch viele Probleme, sagt Piter Panjaitan. Der 36-jährige Indonesier hat deshalb die NGO «Bali Life» gegründet, die sich um die rund 200 Slumbewohner kümmert.
Er sagt: «Am schlimmsten sind die Gesundheitsprobleme. Die Menschen leiden an Hautkrankheiten und Durchfall, weil das Wasser hier verschmutzt ist. Es gibt viele Fliegen und etwa 1000 Kühe und 500 Schweine, die auf dem Abfallberg Futter suchen und ihren eigenen Dreck dort lassen. Für die Slumkinder gibt es keine Schule hier. Und viele Leute haben auch keine Toilette.»
Müll und Plastik gehören heute zum Inselbild Balis wie die Kokospalmen und der Vulkan Agung. Doch einzig den ungezähmten Tourismus für die zunehmenden Umweltprobleme verantwortlich zu machen, wäre falsch. Das Problem ist weit grösser und komplexer.
Regensaison ist Abfallsaison
Am Strand von Canggu, an der Westküste Balis, erklärt Fatoni, ein lokaler Surflehrer mit wildem, blond gefärbtem Haar und braungebrannter Haut, ein paar Touristinnen, wie sie auf dem Brett stehen müssen. Ihm war das Surfen in der letzten Regenzeit jedoch ganz und gar verleidet. «Der ganze Abfall verfing sich am Brett, am Fuss und in der Fangleine. Das Wasser und der Wind stanken an allen Stränden in Kuta, Seminyak, Canggu und Jimbaran. Überall wurde der Dreck angeschwemmt.»
Abfallsaison nennen Balis Bewohner inzwischen die Regenzeit. Sie begann im vergangenen Dezember so dramatisch, dass die Regierung den Umweltnotstand ausrief. Die Strände waren übersät mit Abfallsäcken, Autoreifen, Plastikflaschen, Styroporverpackungen, Damenbinden und Flipflops. Der Müll kam mit den Meeresströmungen von anderen Inseln und wurde von den Flüssen aus dem Inneren der Insel an den Strand geschwemmt. Die Aufräumequipen der Regierung, der Hotels und die vielen freiwilligen Helfer sammelten täglich bis zu 100 Tonnen Abfall ein.
Eine Katastrophe, aber keine, die bislang ein grundlegendes Umdenken bewirkt hat. Wachstum um jeden Preis scheint weiterhin die Devise der indonesischen Regierung zu sein. 2015 lockte Indonesien etwa 9 Millionen ausländische Touristen an, bis 2019 sollen es 20 Millionen werden, so die ehrgeizigen Ziele.
Langsames Erwachen
Einzelne Nichtregierungsorganisationen und Bürgerbewegungen sind nun jedoch erwacht. Die «Trash Heroes» beispielsweise, eine Gruppe von lokalen Freiwilligen, die wöchentlich an unterschiedlichen Orten der Insel die Strände säubern und den Abfall rezyklieren. Oder «Bye Bye Plastic Bags», eine NGO, die von zwei jungen, balinesischen Schwestern gegründet wurde. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, nicht nur Bali, sondern ganz Indonesien von Plastik zu befreien.
Zudem hat Schmuckdesigner John Hardy vor zehn Jahren die «Green School», eine Schule ganz aus Bambus, gegründet. Hier lernen Kinder nicht nur mehr über die Umwelt, sondern leben auch durch und durch ökologisch.
Die Regierung muss erkennen, dass die lukrativen Einnahmen, die sie heute mit den Touristen macht, schnell austrocknen werden – wenn zerstört ist, was heute die Haupt-Devisenbringer anlockt: Die Natur, die Strände, die bunte Unterwasserwelt. Verantwortung liegt aber auch bei der Tourismusindustrie und den Touristen selbst.
Wir sind ja nicht dafür da, dem Kunden ein gutes Gewissen zu verschaffen.
Sein Hotel versuche umweltbewusster zu werden, sagt Michael Koth vom Hotel Intercontinental: Mit Bambusstrohhalmen statt Plastikröhrchen, Glasflaschen statt Plastikflaschen, einer eigenen Abwasseraufbereitungsanlage und ehrgeizigen Sparzielen beim Energieverbrauch.
Aber, Hand aufs Herz, sagt er: «Wir sind ja nicht dafür da, dem Kunden ein gutes Gewissen zu verschaffen, dass er Kerosin verbrannt hat im Flug von 18 Stunden und wir hinterher die Plastikflaschen trennen.» Diese Ökobilanz muss jeder Tourist für sich selbst ziehen. Genauso wie die Inselbewohner selbst entscheiden müssen, ob sie ihr Paradies bewahren wollen – oder nicht.