Deutsche Offiziere diskutieren über eine ungesicherte Verbindung, wie bestimmte Waffen in die Ukraine gelangen und dort zum Einsatz kommen könnten. Dabei hört Russland mit. Es stellen sich international Fragen zum hochproblematischen Vorfall, etwa über die Zuverlässigkeit deutscher Sicherheit. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz kommt verstärkt unter Druck: Er spricht von einer «sehr ernsten Angelegenheit».
Scholz wird seit Wochen für seine Zurückhaltung kritisiert. Sowohl die Opposition als auch die beiden Koalitionspartner wollen Taurus-Marschflugkörper liefern. Der Kanzler lehnte dies kategorisch ab, mit dem Argument: Deutschland dürfe nicht Kriegspartei werden. Das bringt ihm bei der Bevölkerung viel Sympathie ein, wie etwa seine Bürgergespräche belegen.
Fällt das wichtige Argument weg?
Inhaltlich ist im Mitschnitt wenig neu. Brisant aber ist, dass die belauschten Militärs zum Schluss kommen, dass das Taurus-System auch ohne Einbezug deutscher Soldaten geliefert werden könnte. Das würde dem Kanzler ein wichtiges Argument entziehen.
Die Offiziere stellen sich aber nicht gegen den Kanzler, sie diskutieren lediglich die Bedingungen und Möglichkeiten von Einsätzen des Taurus.
Ablenkungsmanöver und Destabilisierung
Dass dieser Abhörskandal jetzt publik wird, ist kaum ein Zufall: In Deutschland wurde jüngst der Fall Wirecard nochmals gross beleuchtet – das ist nicht nur ein Wirtschaftsskandal, sondern auch ein grosser Spionagefall, bei dem die Fäden in Moskau zusammenlaufen. Davon spricht kaum einer.
Dafür drohen sich die Gräben zwischen den Befürwortern von weiteren Waffenlieferungen und dem Kanzler zu vertiefen. Destabilisierung im Innern und Äussern sind laut Expertinnen die Ziele solcher Aktionen aus Moskau.
Geht die Rechnung von Putin auf?
Die Veröffentlichung des geheimen Mitschnitts verfolgt auch das Ziel, die deutsche Politik im Sinne des Kremls zu beeinflussen. Denn Putin will verhindern, dass Deutschland Taurus-Systeme an die Ukraine liefert. Die Aufregung um den Vorfall zwingt die Regierung, sich klar zu positionieren.
Tatsächlich hat Scholz sein Nein zum Taurus bereits wiederholt. Nun bleibt abzuwarten, wie stark die Opposition auf eine Erklärung zur Taurus-Frage pocht und ob ein Untersuchungsausschuss den Vorfall aufarbeitet.
Strukturelles Sicherheitsproblem?
Die abgehörten Offiziere führten das vertrauliche Gespräch über Webex, eine Kommunikationsplattform, die offensichtlich nicht sicher ist. Verteidigungsminister Boris Pistorius betonte, die Betroffenen seien nicht Täter, sondern Opfer. Allfällige personelle Konsequenzen sind offen. Wenn aber am Ende Luftwaffen-Inspektor Ingo Gerhartz gehen müsste, wäre das ein zusätzlicher Erfolg für Putin.
Wie die deutsche Regierung ihre Kommunikation besser schützen will, hängt vom aktuellen Untersuchungsbericht ab. Einen ersten solchen will der militärische Abschirmdienst offenbar in diesen Tagen abliefern. Die Spionageabwehr war schon mehrfach in der Kritik. Es fragt sich, ob Deutschland ein strukturelles Sicherheitsproblem hat.
Der grüne Innenpolitiker Konstantin von Notz, der das Gremium zur Kontrolle der Spionageabwehr leitet, formulierte schon früher: Nötig sei «ein ganz neues Verständnis der Spionageabwehr und ein scharfes Problembewusstsein für geheimhaltungsrelevante Informationen». Der Handlungsbedarf ist also bekannt.