Russland und der Iran rücken noch enger zusammen. Sie haben ein Partnerschaftsabkommen unterzeichnet, das verschiedenste Themenbereiche umfasst. Im Vordergrund steht aber die Kooperation in Militärangelegenheiten. Einschätzen, was diese Kooperation bedeutet, kann Russland-Kenner Stefan Meister.
SRF News: Welches sind die zentralen Punkte des Abkommens?
Stefan Meister: Zentral ist die Sicherheits- und Militärkooperation. Die iranischen Angriffsdrohnen sind für Russland sehr wichtig. Im Gegenzug liefert Moskau Sicherheits- und womöglich Militärtechnologie nach Teheran. Und das in einem nie dagewesenen Umfang.
Russland könnte dem Iran also helfen, schneller zu Atomwaffen zu kommen?
Moskau könnte die iranische Entwicklung von Atomwaffen tatsächlich beschleunigen. Diese Gefahr ist real. Bisher hat es das ja nicht gemacht.
Das Abkommen sieht auch eine Kooperation bei einem möglichen Angriff durch Dritte vor. Würde Russland mit dem Iran gegen Israel in den Krieg ziehen, falls die Israelis den Iran angreifen sollten?
Das glaube ich nicht. Doch man muss erst sehen, was dieser Punkt in den Abkommen für Konsequenzen hat. Ich bin allerdings sehr skeptisch, dass sich einer der beiden in einen regionalen Krieg hineinziehen lässt.
Wer ist stärker auf das Partnerschaftsabkommen angewiesen? Russland oder der Iran?
Es ist ein Abkommen zweier geschwächter Akteure. In Syrien mussten sich beide zurückziehen, der Iran steht unter massivem Druck Israels, und Russland hat alles, was es an Kriegstechnik und Truppen hat, in den Angriffskrieg gegen die Ukraine geworfen.
Der Iran und Russland sind derzeit geschwächt – wobei der Iran allerdings wohl noch geschwächter ist als Russland.
Derzeit hat Russland als globaler Akteur nicht mehr sehr viel zu bieten. Moskau ist deshalb auf die Drohnen- und Raketenlieferungen aus dem Iran angewiesen. Insofern sind beide geschwächt, wobei allerdings der Iran wohl noch geschwächter ist als Russland.
Über das Abkommen wurde jahrelang verhandelt. Was sagt das über die gegenseitigen Beziehungen aus?
Offenbar sind sie komplizierter als man denkt – und die Kooperation ist keine Allianz, sie ist rein interessengeleitet. Bis der vorliegende Vertrag ausgehandelt war, soll es rund 30 Verhandlungsrunden gebraucht haben. Es handelt sich also keineswegs um eine neue, global agierende Achse Russland-Iran.
Wenn sich der Iran aus der internationalen Isolation befreien will, muss er dem Westen in der Atomfrage entgegenkommen. Steht dem das Abkommen mit Russland nicht im Weg?
Die Frage ist, wie weitreichend die Zusammenarbeit dann tatsächlich ist. Und in der Tat könnte die langwierige Verhandlung darin begründet sein, dass Teheran es sich mit den Europäern nicht verderben und die Sanktionen abgeschwächt haben möchte. Und so ist das Abkommen in Teilen so formuliert, dass es dem möglicherweise nicht im Weg steht.
Der Iran will im Gegensatz zu Nordkorea mit den Europäern weiterhin möglichst gute Beziehungen pflegen.
Gibt es Parallelen zwischen dem russischen Abkommen mit dem Iran und jenem, früher abgeschlossenen mit Nordkorea?
Mit Blick auf militärischer Kooperation, der Umgehung von Sanktionen oder der Schaffung neuer Finanzmechanismen gibt es sicher Parallelen. Doch die Unterschiede sind beträchtlich. So wird der Iran sicher nicht bereit sein, Kampftruppen in den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu schicken. Teheran wird nicht so weit gehen wie Nordkorea, um Russland zu unterstützen – vor allem, weil der Iran im Gegensatz zu Nordkorea mit den Europäern weiterhin möglichst gute Beziehungen pflegen will.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.