Kein politisches Spitzentreffen weltweit ist grösser als das jeden September bei der UNO: Eine Woche lang versammelt es 140 Staatsoberhäupter, Hunderte von Ministern, Tausende von Diplomaten. Acht Gipfel fanden diesmal statt und weit über tausend bilaterale Treffen. Doch was hat das alles gebracht? Viel zu wenig. Denn die UNO ist schwer angeschlagen.
Niemand hat je behauptet, die UNO sei effizient. Oder dass dort Worten stets Taten folgen. Beides ist bei einer Organisation mit 193 Mitgliedstaaten mit so unterschiedlichen Interessen, Politiksystemen, Kulturen und Ideologien gar nicht möglich.
Bei der UNO können alle mit allen reden – wenn sie wollen
Die wenigsten würden indes bestreiten, dass die UNO die Welt zumindest ein klein bisschen besser gemacht hat. Doch nun scheint ein Kipp-Punkt erreicht. Die geopolitischen Spannungen setzen den Vereinten Nationen zu. Die Gipfelkaskade diese Woche – zur Ukraine, zur Agenda 2030, zu Entwicklung, Klima, Pandemiebekämpfung oder zur Zukunft der UNO überhaupt – brachte kaum zählbare Ergebnisse. Man tritt an Ort. Versprechen klingen hohl.
Bei ihren zentralen Aufgaben – das Völkerrecht durchzusetzen, Frieden zu sichern oder zu vermitteln, beim Krisenmanagement, bei den Menschenrechten – scheitert die UNO ein ums andere Mal. Sie ist bestenfalls noch eine moralische Autorität, die bei allem Propagandagetöse von Staaten sagt, was Sache ist und eine Schiedsrichterrolle spielt. Sie leistet humanitäre Hilfe – obschon ihr da zunehmend das Geld fehlt – und trägt bei zur Entwicklung mancher Staaten. Sie bleibt eine Plattform, wo alle mit allen reden können – wenn sie es denn wollen. Aber das ist kümmerlich, gemessen an ihrer Charta. Und an dem, was nötig wäre.
Auch Abwesenheit ist ein Signal
Die Weltordnung, für welche die UNO steht, liegt in Trümmern. Die internationale Zusammenarbeit steckt in der Krise – weil die Welt in der Krise steckt. Bereits ertönen Unkenrufe. Das erzkonservative «Wall Street Journal» spricht von der «bedeutungslosen UNO». Die wirtschaftsnahe «Financial Times» sieht einen Kampf um Relevanz, und der «Economist» beklagt den Verlust von «Grandeur».
Tatsächlich: Zwar pilgerten 140 Staats- und Regierungschef zum jährlichen Treffen an den UNO-Sitz. Doch etliche Prominente blieben fern: Xi Jinping, Wladimir Putin, Narendra Modi, Mohammed bin-Salman, Emmanuel Macron, Rishi Sunak. Auch Abwesenheit ist ein Signal. An Treffen von Länderklubs wie der G7, der G20 oder der Brics nehmen sie nämlich teil. Die UNO brüskieren sie. Die Chinesen bemühen sich seit einem Jahrzehnt, die UNO nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Neuerdings engagieren sich allerdings lieber in Gruppierungen, wo sie von vornherein der Leithammel sind.
Weltlage spricht gegen neuen San-Francisco-Moment
All diese Staatenverbände sind keine echte Alternative zur UNO. Sie sind exklusiv statt universell. Für nächstes Jahr ist nun ein ganz grosser UNO-Zukunftsgipfel geplant. Manche sprechen von einem «Update» für die UNO, von der «UNO 2.0». Andere hoffen gar auf deren Neuerfindung.
Doch so nötig das wäre – es wird schwierig. Nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs gelang 1945 in San Francisco die Gründung der UNO. Zu vermuten ist, dass das heute unmöglich wäre. Die Weltlage spricht gegen einen neuerlichen San-Francisco-Moment.