Grossbritannien und seine Regierung sollen entscheiden, wer herkommen darf – und nicht «kriminelle Organisationen». Als der britische Premierminster Rishi Sunak diesen Hauptpfeiler der neuen Migrationspolitik vorstellte, stand er hinter einem Rednerpult mit einem roten Schild: «Stop the boats» stand darauf – Stoppt die Boote.
Auf der anderen Seite der Welt, in Australien, erlebten viele Menschen ein Déjà-vu, als die Bilder aus Grossbritannien in den Fernsehnachrichten liefen. Der damalige australische Premierminister John Howard hatte nämlich 2001 gesagt: «Wir entscheiden, wer in dieses Land kommen darf – und unter welchen Bedingungen.»
Kommt nun Rishi Sunak mit seinem Gesetzesvorschlag durch, werde Grossbritannien die seit zwei Jahrzehnten geltende Politik der Abschreckung Australiens im Wesentlichen übernehmen, stellten australische Kommentatoren und Kommentatorinnen fest. Leonore Taylor, Chefredaktorin der Tageszeitung Guardian Australia sagte: «Das Ziel ist, die Hoffnungen einer Gruppe von Menschen zu zerschmettern.»
Zurück aufs Meer – oder auf eine Insel
Australien schickt Flüchtende, die per Boot meist von Indonesien aus nach Australien kommen und dort um Asyl bitten wollen, zurück aufs offene Meer. Niemand weiss, wie viele der kaum seetüchtigen Schiffe dabei sinken und wie viele Menschen ertrinken.
Wer von der australischen Navy abgefangen wird, wird auf abgelegenen Inseln im Pazifik interniert, zum Beispiel auf Nauru. Jahre-, wenn nicht jahrzehntelang. Vergewaltigungen, sexuelle Übergriffe auf Kinder und schwerste psychische Krankheiten seien endemisch, berichten ehemalige Wärterinnen, Ärzte und Psychologen. Mindestens zwölf Menschen starben seit Beginn der Internierungspolitik in den Lagern. Sie wurden getötet oder nahmen sich das Leben.
Die Politik der Abschreckung ist in Australien dabei nicht an eine bestimmte Partei gebunden. Sowohl der ehemalige sozialdemokratische Premierminister Kevin Rudd als auch seine konservativen Nachfolger Tony Abbott und Scott Morrison hatten jeweils geschworen, kein sogenannt illegaler Bootsflüchtling dürfe jemals nach Australien kommen.
Auch die neue Labourregierung führt die Politik weiter
Die Polemik war von xenophoben und rassistischen Tönen untermalt – bei den meisten Flüchtlingen handelt es sich um Muslime. Wer gehofft hatte, dass die im letzten Mai gewählte Laborregierung unter Premierminister Anthony Albanese in dieser Frage mehr Menschlichkeit zeigt, sieht sich bislang enttäuscht.
Die Regierung in Canberra gab jüngst zwar mehreren hundert Asylsuchenden das Aufenthaltsrecht, die seit Jahren in Australien temporär und deswegen in grosser Unsicherheit lebten. Auf der Insel Nauru leiden aber noch fast 200 Menschen, klagen Flüchtlingsorganisationen.
Der britische Premier Sunak will zwar Bootsflüchtlinge nicht in ein Lager mitten im Meer stecken, sondern sie nach Ruanda deportieren. Sonst sind die Parallelen zum Modell Australien überwältigend. Das ist kein Zufall. Alexander Downer, ehemals konservativer australischer Aussenminister im Kabinett von Premier John Howard und ein Architekt der Massnahmen gegen Bootsflüchtlinge, hatte die britische Regierung beraten.