In Artikel 41 der irischen Verfassung ist das natürliche Habitat einer Frau ziemlich genau umschrieben: Der Ort der Frau ist das Zuhause. Deshalb sei der Staat bestrebt, dafür zu sorgen, dass «die Mütter nicht durch wirtschaftliche Notwendigkeit gezwungen werden, zu arbeiten und dabei ihre häuslichen Pflichten zu vernachlässigen.»
Kurz: Die Frau soll nicht berufstätig sein, sondern putzen und kochen. Wohlwollend und im Kontext der damaligen Zeit könnte man argumentieren, die Schöpfer der irischen Verfassung hätten damit bereits in den 1930er-Jahren ihre Wertschätzung für unbezahlten Familienarbeit ausgedrückt. Ebenfalls könnte man ableiten, dass Frauen im Fall einer Scheidung wirtschaftlich abgesichert sind.
Als die katholische Kirche noch alles bestimmte
Die Geschichte zeigt jedoch, dass der Wortlaut nie in diesem Sinn umgesetzt wurde. Im Gegenteil: Die Verfassung diente der «Domestizierung» der Frauen. In der streng katholisch geprägten Gesellschaft sei der Verfassungsartikel als Argument benutzt worden, dass der Platz der Frau zu Hause am Herd sei, schreibt die «Irish Times». Und damit nicht im Erwerbsleben und schon gar nicht in der Politik.
Bereits vor einem Jahr hat die irische Regierung den diskriminierenden Anachronismus aufgegriffen. Es könne nicht sein, dass in der Verfassung festgehalten sei, welche Pflichten Frauen im Haushalt zu erfüllen hätten, sagt der irische Premierminister Leo Varadkar damals. Solche Diskriminierung habe in der Verfassung nichts zu suchen, müsse identifiziert und Stück um Stück beseitigt werden.
Der alte Zopf soll ab – am Weltfrauentag 2024
Und das ist in Irland, wie in der Schweiz und anderen Ländern, ein langer Weg. Frauen haben in Irland lange Zeit am Tag ihrer Hochzeit ihre Anstellung im öffentlichen Dienst verloren. Sie durften ohne Einwilligung des Mannes keinen Pass beantragen. Dass eine Frau ohne ihren Ehemann reist, war schlicht nicht vorgesehen. Und schon gar nicht der Auszug aus ihrem natürlichen Habitat. In Irland gab es bis 1995 kein Recht auf Scheidung.
Die Regierung hatte am Internationalen Frauentag 2023 verkündet, den störenden Verfassungsparagraf per Abstimmung innert Jahresfrist zu streichen. Sie hat Wort gehalten. Irinnen und Iren können am Freitag bis 22 Uhr abstimmen, um den Anachronismus zu tilgen.