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USA: Recht auf Abtreibung soll Bundesstaaten überlassen werden
Aus Echo der Zeit vom 02.12.2021. Bild: Keystone
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Abtreibung Der Oberste Gerichtshof in den USA greift zum Backlash

In den USA reiben sich am Donnerstag viele die Augen: Kann es sein, dass Frauen in vielen Bundesstaaten bald eine ungewollte Schwangerschaft austragen müssen? Es scheint so. In einer Anhörung zu einem Fall in Mississippi stellten die sechs Konservativen im neunköpfigen höchsten Richtergremium das Präzedenz-Urteil «Roe versus Wade» schwer infrage. Es sprach 1973 den Frauen in den USA das Verfassungsrecht zu, Schwangerschaften abzubrechen.

Die verstorbene oberste Richterin und Vorkämpferin für Abtreibungsrechte, Ruth Bader Ginsburg, erweist sich wieder einmal als Visionärin. Sie hielt «Roe versus Wade» für mangelhaft. Der Oberste Gerichtshof habe zu schnell zu viel erreichen wollen, das Urteil stehe auf unsicheren Beinen, sagte Ginsburg im Jahr 1992.¨

Kein Konsens möglich

Tatsächlich geht das US-Abtreibungsrecht viel weiter als in den meisten Ländern. In der Schweiz gilt eine Fristenregelung bis zur 12. Schwangerschaftswoche; Abtreibungen danach sind nur mit einer medizinischen Begründung möglich. Das Schweizer Gesetz trat 2002 in Kraft, nach einem jahrzehntelangen Ringen um einen politischen Konsens.

Zu einem solchen ist es in den USA nie gekommen. Stattdessen fand das Richtergremium eine im internationalen Vergleich ungewöhnlich liberale Lösung – Abtreibungen sind erlaubt bis zur Überlebensfähigkeit des Fötus, derzeit etwa bei 24 Schwangerschaftswochen. Die grosszügige Regelung liess die Anti-Abtreibungsbewegung erstarken.

Mit «Pro-Life»-Inhalten konnte die republikanische Partei die Christlich-Konservativen mobilisieren. Auf der anderen Seite entstand eine «Pro-Choice»-Bewegung mit Abtreibungs-Kliniken und einflussreichen Lobby-Gruppen.

Frauen bezahlen den Preis

Eine vernünftige Debatte über die Abtreibungsfrage ist in den USA schon lange nicht mehr möglich. Beide Seiten vertreten eine Alles-oder-Nichts-Haltung. Die Abtreibungs-Gegner und -Gegnerinnen halten jede Abtreibung für Mord. Die Abtreibungsbefürwortenden weigern sich über eine Fristenregelung zu sprechen. Jede Anpassung des geltenden Rechts wäre für sie eine Totalniederlage.

Dabei unterstützen die meisten US-Amerikanerinnen und -Amerikaner die Abtreibungsfreiheit der Frauen im ersten Drittel der Schwangerschaft. Ganz ähnlich wie in Europa. Doch statt auf Volkes Stimme zu hören, plant die konservative Mehrheit im Obersten Gerichtshof den Backlash.

Die Frauen in den USA würden einen hohen Preis bezahlen, vor allem ärmere Frauen in rund zwanzig konservativen US-Bundestaaten. Bald könnten sie gezwungen sein, Schwangerschaften auszutragen, selbst im Fall von Inzest und Vergewaltigung.

Isabelle Jacobi

USA-Korrespondentin, SRF

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Nach dem Studium in den USA und in Bern arbeitete Jacobi von 1999 bis 2005 bei Radio SRF. Danach war sie in New York als freie Journalistin tätig. 2008 kehrte sie zu SRF zurück, als Produzentin beim Echo der Zeit, und wurde 2012 Redaktionsleiterin. Seit Sommer 2017 ist Jacobi USA-Korrespondentin in Washington.

Echo der Zeit, 2.12.2021, 18:00 Uhr

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