Nach dem Zerwürfnis zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer in der Asylpolitik gibt es zunächst keine Anzeichen für eine Lösung. Ein Krisentreffen endete am Mittwochabend. Über Ergebnisse ist bislang nichts bekannt. Merkel war am Dienstag in der Unions-Fraktionssitzung wegen des Streits erheblich unter Druck geraten.
Seehofer will Migranten, die in anderen EU-Staaten gemäss Dublin-Abkommen bereits registriert worden sind, an der deutschen Grenze abweisen. Er setzt mit seinem «Masterplan Migration» auf eine nationale Lösung. Merkel hingegen beharrt auf einer europäischen Lösung. Nach Meinung der CDU-Spitze könnte dies zu einem Domino-Effekt in der EU führen.
Am Krisentreffen zwischen Kanzlerin und Innenminister nehmen auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) teil.
«Das ist nicht leicht», sagte Seehofer in Berlin kurz vor dem Treffen. Es müsse ein eher schweres Werkstück aus dem Schraubstock geholt werden. «Wir werden alles, was möglich ist, einsetzen, um eine Verständigung zu erreichen.»
Aus der Unionsfraktion kommt inzwischen die Forderung, den Streit über die Migration mit einer internen Kampfabstimmung zu klären. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer sprach Klartext: «Seit 2015 diskutieren wir über dieses Thema. Irgendwann muss man Entscheidungen treffen, notfalls auch mit einer Vertrauensfrage.»
«Achse der Willigen»
Überschattet wird der Streit zwischen Merkel und Seehofer auch durch den sogenannten Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt, dem Seehofer fernblieb. Er traf sich stattdessen mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz in Berlin. Die Bundeskanzlerin kommt so zusätzlich unter Druck, nachdem sich ihr Innenminister mit Kurz geeinigt hat, innerhalb der EU eine «Achse der Willigen» aufzustellen, die ihre Flüchtlingspolitik unterstützt.
Kurz hatte bekräftigt, während der am 1. Juli beginnenden österreichischen EU-Ratspräsidentschaft dafür sorgen zu wollen, dass die europäischen Aussengrenzen im Kampf gegen illegale Migration nach Europa besser geschützt werden.
Darum setze er auf eine «Achse der Willigen». Er nannte in erster Linie Rom, Wien und Berlin als Beteiligte. Kurz sieht im deutschen Innenminister einen wichtigen Partner, um diese Aufgabe zu bewältigen, wie er nach dem Treffen mit Seehofer sagte.
Kurz äusserte sich zufrieden, dass die Gruppe innerhalb der EU mittlerweile «extrem breit und gross» sei, die sicherstellen wolle, dass die EU-Staaten und nicht die Schlepper entscheiden sollten, wer nach Europa komme.
Italien als Verbündeter
Seehofer seinerseits berichtete von seinem Telefongespräch mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini (Lega) am Dienstag: «Es war der Wunsch des italienischen Innenministers, dass Rom, Wien und Berlin bei der Frage der Sicherheit, bei der Bekämpfung des Terrorismus aber auch bei den Kernfragen der Zuwanderung zusammenarbeiten sollten.» Seehofer erklärte, er habe dem zugestimmt.
Salvini und die italienische Regierung war von Frankreich kritisiert worden, weil Italien dem Schiff «Aquarius» mit hunderten Migranten an Bord das Einlaufen in einen italienischen Hafen verweigert hat.
Merkel, die am Vortag mit Kurz zusammengetroffen war, reagierte zurückhaltend auf diese Forderungen in der Asylpolitik. Sie bekräftigte, dass sie eine gemeinsame europäische Lösung in der Flüchtlingspolitik anstrebe. Es gebe Länder wie Italien, Griechenland oder Spanien, die besonders von der Ankunft von Flüchtlingen betroffen seien. Daher müsse es mehrere Kooperationsmöglichkeiten geben.