Israels Oberstes Gericht hat eine mit Spannung erwartete Beratung über die umstrittene Entlassung des Inlandsgeheimdienstchefs Ronen Bar aufgenommen. Das Gericht hatte diese mit einer einstweiligen Verfügung ausgesetzt. Nun müssen sich die Richter in Jerusalem mit acht Klagen gegen die Entlassung des Schin-Bet-Chefs befassen.
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte den Schritt mit einem «Mangel an Vertrauen» in den Geheimdienstchef begründet. Kritikerinnen und Kritiker werfen ihm jedoch vor, sich in einem Interessenkonflikt zu befinden.
Pikant: Der Geheimdienst untersucht gerade eine Bestechungsgeldaffäre, in die Mitarbeiter des Premiers und der Golfstaat Katar involviert sind – also der Staat, von dem Netanjahu immer behauptet, dieser finanziere die Hamas.
Wogen im Gerichtssaal gehen hoch
Zu Beginn der Verhandlung kam es zu tumultartigen Szenen. Die Botschaft der Zwischenrufe: Die Richter hätten keine Kompetenz, die Entlassung des Schin-Bet-Chefs zu diskutieren – den Geheimdienstchef zu entlassen, sei Sache von Premier Netanjahu.
Die einen fordern Bars Entlassung, die anderen wollen, dass er bleibt. «Im Kern geht es aber um einen Streit, der Israel schon seit mehr als zwei Jahren spaltet», sagt SRF-Auslandredaktorin Susanne Brunner. «Es geht nämlich um die Frage, wie viel Macht die Regierung und die Justiz haben sollen.»
Welche Rolle spielt «Katargate»?
Im Vorfeld der Fussball-WM in Katar 2022 soll der Golfstaat viel Geld an enge Mitarbeiter Netanjahus gezahlt haben, um im Gegenzug das Image des Emirats in Israel zu verbessern. Katar gilt in Israel nämlich als wichtiger Sponsor der Hamas. Öffentlich zeigt Netanjahu deshalb seit Jahren mit dem Finger auf Katar. Katar weist die Vorwürfe entschieden von sich.
Angesichts dieser Attacken wäre es nicht nur ein handfester Skandal, wenn sich die Vorwürfe gegen Netanjahus Mitarbeiter bewahrheiten sollten. «Wenn sie Gelder von einem Staat annehmen, der mutmasslich die Terrororganisation finanziert, welche Hunderte von Israeli getötet und entführt hat, wäre das eventuell sogar Landesverrat», schätzt Brunner.
Wie geht es weiter?
Der Oberste Gerichtshof muss nun entscheiden, ob Netanjahu – respektive seine Regierung – den Geheimdienstchef entlassen darf, und vor allem: Ob er ihn unter diesen Umständen entlassen darf. Schliesslich ermittelt der Geheimdienst in Sachen «Katargate».
Dem Gericht bleiben nun im Wesentlichen drei Möglichkeiten: Es kann Netanjahu recht geben und der Geheimdienstchef wird entlassen. Sollte das Richtergremium Bars Wiedereinstellung verlangen, geht SRF-Redaktorin Brunner davon aus, dass sich Netanjahu über den Entscheid hinwegsetzen dürfte.
Eine dritte Möglichkeit wäre es, Bars Abgang beispielsweise um ein Jahr nach hinten zu verschieben. So könnte der Geheimdienst die Ermittlungen in Sachen «Katargate» abschliessen, bevor der Chefposten neu besetzt wird. Mit einer Entscheidung wird in dieser Woche gerechnet.