Ob als gesundes Superfood, Fleischersatz, Kosmetikprodukt, Naturdünger oder als potenzieller Biotreibstoff für Flugzeuge – die Alge ist ein Multitalent und gerade wegen ihrer Fähigkeit, CO₂ zu speichern, zunehmend gefragt. Die EU plant deshalb im Rahmen ihres Green Deals, den Seetanganbau in europäischen Gewässern stark auszubauen.
«Dies würde jährlich rund 5.4 Millionen Tonnen CO₂ einsparen und zusätzlich 85'000 Arbeitsplätze schaffen», schätzt die EU-Kommission.
Noch ist es aufwendige Handarbeit
Ehrgeizige Pläne – das weiss auch Joost Wouters von «The Seaweed Company». Er baut an der niederländischen Küste Braunalgen an. Seine Firma produziert Biodünger, Tierfutter und verschiedene Nahrungsmittel aus Algen.
Wouters und sein Team haben eine Methode entwickelt, um die Algen an Seilen wachsen zu lassen. Geerntet wird derzeit noch per Hand, jedoch nicht mehr lange. Wouters erklärt: «Bei der nächsten Ernte setzen wir bereits Maschinen ein, die die Algen direkt von den Seilen schneiden und gleichzeitig waschen. Das können wir also automatisieren.»
Mit Algen CO₂ reduzieren
Algen nehmen bis zu dreimal mehr CO₂ auf als Pflanzen an Land. Ihr Anbau soll Europa helfen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 zu halbieren.
Die EU-Kommission schätzt, dass die Mitgliedstaaten bis dahin eine halbe Million Quadratkilometer Meeresfläche für den Seetanganbau freigeben könnten – umgerechnet etwa 70 Millionen Fussballfelder.
Die weltweite Produktion von Makroalgen – also grosse, vielzellige Algen – liegt derzeit bei mehr als 30 Millionen Tonnen pro Jahr. Fast alles davon kommt aus Asien. Europa selbst steuert nur etwa ein Prozent der globalen Algenernte bei. Und dieser kleine Anteil stammt meist nicht aus der Algenzucht, sondern aus der Ernte von Wildbeständen.
«Wenn wir wollen, dass die Algenindustrie wächst, dann brauchen wir eine entsprechende Gesetzgebung dafür und der Plan der EU ist eine grosse Unterstützung für die Branche», ist Wouters deshalb überzeugt.
Anbaugebiete von Algen erweitern
Auch an der deutschen Ostseeküste ist ein wachsendes Interesse an dem glitschigen Meeresgold zu spüren. Am Geomar-Institut in Kiel wollen Forschende verschiedener deutscher Universitäten herausfinden, wie sich der grossflächige Anbau von Algen auf das Ökosystem Meer auswirkt.
Denn besonders in Küstennähe wird es auch auf dem Meer mittlerweile eng. Windparks, Schiffsverkehr, militärische Sperrgebiete, Aquakulturen – sie alle brauchen Platz.
Algenanbau auch auf offener See
Meeresbiologin Eva Strothotte vom Forschungs- und Entwicklungszentrum Kiel testet deshalb den Offshore-Algenanbau. Die Algen werden dabei weit entfernt von der Küste – rund um Windparks oder in Kombination mit anderen Aquakulturen – angebaut.
«Auf offener See gibt es hohe Wellen und starke Stürme, dafür muss die Technik ausgereift sein. Die Netzstrukturen der Seile für die Algen dürfen sich nicht losreissen. Und genau solche Fragen lösen wir jetzt», erläutert Strothotte.
Algenfarmer Joost Wouters sagt dem Algenanbau in Europa auf alle Fälle eine goldene Zukunft voraus. Schliesslich habe jeder mal klein angefangen.