Wie sicher Autos von amtierenden oder ehemaligen Bundeskanzlern – und der ehemaligen Bundeskanzlerin – sind, wird mit dem Begriff «Beschussklasse» ausgedrückt. «VR 10» ist die Höchste, sie hält auch Salven aus Sturmgewehren oder Angriffen mit Handgranaten stand. Mercedes ist hier Marktführer, und den gepanzerten Mercedes (und einen VW-Bus) darf Alt-Kanzler Schröder behalten. Personenschutz. Ansonsten wird aus dem Alt-Kanzler Schröder wieder der Bürger; der Rentner Schröder.
Sein politisches Kapital: das Gespür
Im Gegensatz zur politischen Panzerung bleibt Schröder die körperliche, existenzielle Panzerung. Da hat der Alt-Kanzler Glück gehabt – denn das Auto bedeutet ihm viel. Das wiederum sagt viel über sein Leben aus, seinen Aufstieg, seinen Kampf um Macht und Ruhm.
Der Mercedes war eines der Lebensziele von Gerhard Schröder. In ärmlichen Nachkriegsverhältnissen in einer Baracke aufgewachsen, der Vater im Krieg in Rumänien gefallen, versprach er als Kind seiner Mutter, er werde sie dereinst im Mercedes abholen. Das Auto aus Sindelfingen bei Stuttgart als Merkmal jener, die es geschafft haben. Die sich nach ganz oben gekämpft haben.
Wie Schröder. Er wurde Anwalt, nach dem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. Er wurde Ministerpräsident – er wurde Kanzler. Und holte die gerührte Mutter tatsächlich im Mercedes ab. Teure Autos, exquisite Zigarren (Cohiba), feine italienische Anzüge (Brioni), das Kanzleramt. Schröder hatte alles, dank seines Ehrgeizes, seines Instinkts, seines Gefühls für Menschen und Stimmungen. Das Gespür war sein politisches Kapital. Für die Details hatte er den heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Dieser regelte im Kanzleramt für Schröder das Nötige, führte die zähen Gespräche, goss in Vorlagen, Gesetze und Regelwerke, was der politischen Fantasie Schröders entsprang.
Schröders Absturz – ein Trauerspiel
Doch dann, nach dem 24. Februar 2022, war das Gespür plötzlich weg. Am 24. Februar überfiel Russland die Ukraine. Krieg. Schröder sah nicht, dass sein unverändertes Verhältnis zu Putin, zu Russland, sein Lebenswerk, alles, zerstören würde. Er blieb stur, wurde zunehmend isoliert, toxisch.
Politisch wurde der Absturz Gerhard Schröders heute offiziell. Der Haushaltsausschuss, der auch für die finanzielle Ausstattung der Alt-Kanzler zuständig ist, strich Büro, Mitarbeiter, Reisespesen – alles, was zu einem Leben nach dem Kanzleramt geplant und notwendig ist. Lange haben die Parteien darum gerungen – doch der Druck war zu gross. Schröder, der weiterhin hohe Posten bei russischen Energiefirmen bekleidet. Schröder, der weiter fest zu Putin hält. Schröder, der offensichtlich seinen politischen Kompass verloren hat.
Der Mercedes war einst sein grosses Ziel. Heute ist es das Einzige, was ihm noch bleibt. Ehre, Ruhm und Respekt, alles weg. Ein Trauerspiel.