Die Worte «Amerika» und «amerikanisch» haben Joe Bidens Rede dominiert. Das ist für die Amtsantrittsrede eines US-Präsidenten nicht überraschend und war zu erwarten. Bei Donald Trumps Antrittsrede, die deutlich kürzer war, war das 2017 nicht anders – nur hiess es bei ihm häufig «America first». Es waren aber andere Ausdrücke, die der gut zwanzigminütigen Rede von Biden die inhaltliche Richtung vorgaben: «Demokratie» etwa oder immer wieder «Herausforderung».
Vor allen Dingen aber war die Rede geprägt von Worten, die Zusammengehörigkeit ausdrücken sollten: «Einigkeit», «Nation», «zusammen» oder «vereint». Es war eine Rede, gemünzt auf die gewaltigen Krisen, mit denen sich der neue Präsident konfrontiert sieht: Er sprach davon, wie die US-Demokratie angegriffen wurde, vor zwei Wochen, beim Sturm aufs Kapitol, exakt dort, wo Biden seine Rede hielt, davon, wie es nun gelte, die Pandemie in den Griff zu kriegen, Rassismus zu bekämpfen, den Klimawandel zu stoppen.
Einigkeit als zentrales Motiv
Jede einzelne dieser Krisen bedeute eine gewaltige Herausforderung. Besonders weil es nun gelte, alle gleichzeitig zu lösen, sei «Unity», also Einigkeit, unerlässlich. Er beschwor die Menschen, wieder wie früher aufeinander zuzugehen, miteinander zu reden. «We are good people», sagte er an einer Stelle: Wir sind gute Menschen. All das spiegelt sich in Worten wie «heart», «good» oder «soul».
Dass gerade «Einigkeit» zum zentralen Motiv wurde, war zu erwarten: Die USA sind nach vier Jahren Donald Trump sehr tief gespalten. Auch die politischen Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber. Wenn Biden dazu aufruft, wieder Gemeinsamkeiten zu finden, verweist er auf eine Vergangenheit, die er selbst mitgestaltet hat: 36 Jahre lang war er selbst Senator und hat miterlebt, wie politische Gegner Kompromisse machten.
Ob er jetzt die tiefen Gräben zuschütten kann, ist fraglich. 74 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner haben für seinen Gegner Donald Trump gestimmt. Ein Teil davon glaubt, das Resultat der US-Präsidentschaftswahl sei massiv gefälscht worden, obwohl es dafür keine Beweise gibt. Diese Trumpanhänger werden sich nicht über Nacht in Luft auflösen. Gut möglich, dass Bidens Wunsch nach Einigkeit genau das bleibt: Ein frommer Wunsch.
Nur kurz ging Biden übrigens auf die Aussenpolitik ein («world»): Er versprach alte, beschädigte Allianzen zu reparieren. Und ein Wort fehlte gänzlich: «Trump».