Als Teil der deutschen Ampel-Regierung müssen die Grünen unangenehme Kompromisse eingehen und werden manchmal auch überstimmt. Zudem werden die Grünen von der Opposition oft härter kritisiert als die anderen Koalitionsmitglieder SPD und FDP. Claudia Kade, Politik-Chefin bei der konservativen Zeitung «Die Welt», zu den Zusammenhängen.
SRF News: Wie unglücklich sind die Grünen in der Ampel-Koalition?
Claudia Kade: Bereits von Beginn an mussten die Grünen wesentliche Teile ihrer Programmatik für die Ampel-Regierung aufgeben: Sie waren mit der Regierung für die militärische Unterstützung der Ukraine. Danach ging es um den Ersatz von russischem Gas und den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken. Dieses Jahr dann die Niederlage beim Heizungsgesetz und immer wieder Machtworte von SPD-Kanzler Scholz, zuletzt in der Migrationsfrage. Gegenwind kommt aus der Bevölkerung, die wegen der finanziellen Folgen bei Klimamassnahmen verunsichert ist.
Auch intern ist Feuer im Dach. Gehen die Grünen zu viele Kompromisse ein?
Hielt man im ersten Jahr der Ampel noch zusammen, bricht bei den Grünen jetzt der interne Streit aus. Der linke Flügel orientiert sich jetzt stärker an der Programmatik und lehnt sich auf. Vizekanzler Robert Habeck als Wirtschafts- und Klimaschutzminister wird massiv unter Druck gesetzt, und seine Autorität wird in Frage gestellt.
Dazu kommt die ungeklärte Machtfrage zwischen Habeck und der linken Aussenministerin Annalena Baerbock, welche 2021 die Kanzlerkandidatur innehatte. Noch hat Habeck sein Ziel nicht aufgegeben, 2025 die Kandidatur zu übernehmen.
Die Opposition hat sich auf die Grünen eingeschossen, auch zur Freude von SPD und FDP. Warum trifft es die Grünen so hart?
Weil sie Angriffsfläche bieten. Indem sie den ökologischen Wandel vorantreiben wollen und dabei auch handwerkliche Fehler machen. Etwa beim Heizungsgesetz, welches das ganze Land stark umgetrieben hat. Viele Pläne waren sehr unausgegoren. Das hat viele in Aufruhr versetzt, und die Opposition ist aufgesessen.
Die Umfragewerte der Grünen lagen einst bei 25 Prozent, jetzt sind es wieder 14. Was haben sie falsch gemacht?
Die Grünen konnten ihre Umfragewerte im Vergleich zur Bundestagswahl vor zwei Jahren unter dem Strich stabil halten. Nach einem zwischenzeitlichen Hoch sind sie wieder auf dem Wahlergebnis gelandet. Die SPD und FDP sind bereits mit starken Verlusten konfrontiert. Die Opposition will jetzt auch die Grünen noch möglichst runterdrücken.
Das macht es schwierig: Die Erkenntnis der Grünen, dass sie Erfolg haben, wenn sie das machen, was sie eigentlich nicht wollen.
Interessanter Effekt: Den Grünen hat der grosse Kurswechsel zugunsten von Waffen in Kriegsgebiete oder bei den Kohlekraftwerken in den Umfragen genützt. Jetzt, da sie zur alten Programmatik zurückkehren und den Klimaschutz mit schärferen Vorschriften gesetzlich verankern wollen, gehen die Umfragen zurück. Das macht es schwierig: die Erkenntnis der Grünen, dass sie Erfolg haben, wenn sie das machen, was sie eigentlich nicht wollen.
Lohnt sich unter diesen Umständen die Ampel-Koalition für die Grünen noch?
Ein Ausstieg aus der Koalition ist wohl keine Option, soweit man das von den Grünen selbst hört. Nach vielen Jahren Unterbruch wieder in der Regierung, sehen sie auch eine Chance, sich als stabiler Partner zu erweisen. Sie wollen beweisen, dass sie in Krisensituationen reagieren und regieren können. Gerade in der Migrationssteuerung werden sie wahrscheinlich wieder auf Teile ihrer Programmatik verzichten müssen. Dazu kommt die Frage, wer mit Blick auf die nächste Bundestagswahl die Führung übernimmt.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.