«Die Stimmung in Ecuador ist angespannt, die Verunsicherung gross», sagt Franklin Ramirez, Politologe aus Quito, der Hauptstadt Ecuadors. «Das Land durchlebt dramatische Stunden.»
Denn: In Ecuador läuft derzeit ein Amtsenthebungsverfahren gegen Mitte-Rechts-Präsident Guillermo Lasso. Es ist sogar schon das zweite: 2021 scheiterte die Opposition dabei, Lasso abzusetzen. Ihm wurden damals Geschäfte in Steuerparadiesen vorgeworfen.
Die aktuellen Vorwürfe sind noch arger: Es geht um mutmassliche Veruntreuung innerhalb des staatlichen Ölkonzerns Flopec. Zudem geht es um Verbindungen von engen Vertrauten Lassos zur albanischen Mafia in Zusammenhang mit Kokain-Exporten nach Europa.
Situation in Ecuador extrem vulnerabel
Das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten kommt zur Unzeit, nicht nur für Lasso: Die politische Krise trifft auf eine schwierige wirtschaftliche Lage.
«Ecuadors Wirtschaft hat sich noch nicht von der Corona-Pandemie erholt – aufgrund strenger Spar-Politik», sagt Politologe Franklin Ramirez. Dabei waren die Hoffnungen gross, als Lasso, ein Ex-Banker, im Mai 2021 die Präsidentschaftswahlen in Ecuador gewann und versprach, die Wirtschaft anzukurbeln.
Der Präsident ist schwach, hat im Parlament keine Mehrheit.
«Doch der Präsident und das Parlament sind sich nur selten einig geworden», erklärt Sebastián Hurtado von Profitas, dem wichtigsten Beratungsunternehmen für politische Risiken in Ecuador. Der Präsident sei schwach, er habe im Parlament keine Mehrheit.
Gewaltexzesse und Verbindungen zur albanischen Mafia
Zur vulnerablen Situation des Landes trägt auch die Expansion des Drogenmarkts bei. «Das einst friedliche südamerikanische Land wird derzeit von einer beispiellosen Welle der Gewalt erfasst», sagt Hurtado.
Ecuadors Mordrate erreichte letztes Jahr mit rund 26 Tötungsdelikten pro 100'000 Einwohner einen Höchstwert in der Geschichte des Landes und überstieg sogar jene von Mexiko. Die Gewalt, grösstenteils in der Küstenregion, gehe von Drogen-Kartellen aus, die sich von Kolumbien her auf Ecuador ausbreiten, so der Experte.
Auch die albanische Mafia ist vor Ort. Zu ihr sollen enge Vertraute des Präsidenten Kontakte gepflegt haben, etwa Lassos Schwager. Das zeigen Recherchen ecuadorianischer Journalistinnen und Journalisten.
Korruptionsskandal um Öl-Konzern
Ein Korruptionsskandal im staatlichen Öl-Konzern Flopec rückt Lasso zusätzlich in ein schlechtes Licht. Dabei geht es um Veruntreuung, welche die oberste Rechnungsprüfungsbehörde im Land bestätigt hat. Das seien gut dokumentierte Fälle, sagt Politologe Franklin Ramirez. Für die linke Opposition genug Munition für ein Amtsenthebungsverfahren.
Dass Lasso dafür strafrechtlich verantwortlich sei, glaubt Hurtado zwar nicht. «Aber politisch birgt das genug Zündstoff, um ihm gefährlich zu werden.»
Nur noch 14 Prozent der ecuadorianischen Bevölkerung stehen hinter Lasso. Damit ist die sogenannte «muerte cruzada» das wahrscheinlichste Szenario: Laut der ecuadorianischen Verfassung könnte der Präsident einer Absetzung zuvor kommen, indem er das Parlament auflöst und Neuwahlen ausruft.
Im besten Fall könnte das die politische Lage im Land beruhigen. Doch auch eine weitere Destabilisierung ist möglich.