Wie ist der Parteikongress gestartet? Die Versammlung begann hektisch und mit sieben Stunden Verspätung, weil unter anderem einige Zuma-Anhänger die Eröffnungsrede von Cyril Ramaphosa mit viel Lärm störten. Manche hielten es tatsächlich für möglich, dass der Parteitag komplett kollabiere, erklärt Johannes Dieterich, der seit vielen Jahren als freier Journalist aus Südafrika berichtet. Zudem habe es einen Streit über die Stimmberechtigung gegeben.
Wie verlaufen die Gräben innerhalb der Partei? Die Gräben verlaufen zwischen Cyril Ramaphosa und dem ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma, der jedoch nicht als Präsidentschaftskandidat zur Wahl steht. Ramaphosas Herausforderer sei der ehemalige Gesundheitsminister Zweli Mkhize, erklärt Dieterich. Dieser musste Anfang Jahres wegen eines Korruptionsskandals jedoch zurücktreten. «Also böswillig könnte man sagen, dass die Korrupten den weniger Korrupten um Ramaphosa gegenüber stehen», so Dieterich.
Was sagt Ramaphosa zum Korruptionsvorwurf? Auf der Rinderfarm von Ramaphosa wurden mehrere 100'000 US-Dollar Bargeld gefunden, versteckt in seinem Sofa. Ramaphosa selbst behaupte, das Geld stamme vom Verkauf von 22 Büffeln, so Dieterich. «Er hat aber ganz wesentliche Fragen bisher nicht beantwortet, nämlich: Warum hat er den Besitz von ausländischer Währung nicht der Zentralbank gemeldet?» Das ist in Südafrika Pflicht. Auch die Frage, ob er Steuern hinterziehen wollte, sei unbeantwortet geblieben, so Dieterich.
Hat Ramaphosa seine Hoffnungsträgerrolle erfüllt? Nach dem Fall von Zuma galt Ramaphosa als Hoffnungsträger, der eine funktionierende Demokratie frei von Korruption bilden sollte. Diese Rolle hat er teilweise erfüllt, wie Dieterich sagt. «Ramaphosa ist sicherlich ein integer Politiker, dem das Wohl Südafrikas auch wirklich am Herzen liegt. Und er will den ANC von der endemischen Korruption befreien, die die Partei inzwischen beherrscht.»
Aber auf seinem Weg sei er nicht entschieden genug gewesen, habe seine Kontrahenten mit Samthandschuhen behandelt, um die Einheit des ANC nicht zu gefährden. Das drohe ihm nun zum Verhängnis zu werden. «Statt dass seine Gegner kooperationsbereit sind, werfen sie ihm einen Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine», so der Journalist.
Wird der ANC Südafrika weiter regieren? Die Partei werde Südafrika sicher noch bis zu den Wahlen 2024 regieren, schätzt Dieterich ein. «Aber dann sagen Prognosen voraus, dass die Partei zum ersten Mal seit der grossen Wende 1994 wahrscheinlich ihre absolute Mehrheit verlieren wird.» In diesem Fall wäre die Partei auf Koalitionspartner angewiesen – und da gebe es einen Kandidaten links und einen rechts im politischen Spektrum.
Bis heute hat sich der ANC nie festgelegt, ob er eher links oder rechts ist, eher sozialdemokratisch oder eher nationalkonservativ.
Doch in beiden Fällen wäre die Partei enormen Spannungen ausgesetzt. Denn: «Bis heute hat sich der ANC nie festgelegt, ob er eher links oder rechts ist, eher sozialdemokratisch oder eher nationalkonservativ», so Dieterich. Und wenn er gezwungen werde, sich auf einen Koalitionspartner festzulegen, könnte der ANC richtig zerrissen werden. «Aber vielleicht wird es das Beste, was den Südafrikanern passieren kann» bilanziert der Journalist.