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Angebot ausgeweitet Deutsche «Tagesschau» sendet in einfacher Sprache

Die «Tagesschau» ist eine Sendung mit Nachrichten. Die «Tagesschau» läuft im Ersten Deutschen Fernsehen. Von der «Tagesschau» gibt es jetzt eine neue Sendung. Das Neue ist: Die Nachrichten sind in einfacher Sprache. Die neue Sendung heisst: «Tagesschau» in einfacher Sprache.

Das ist – in einfacher Sprache ausgedrückt – die Neuigkeit des deutschen, öffentlich-rechtlichen Rundfunks ARD, zu der die «Tagesschau» gehört. Seit letzter Woche strahlt der Sender die neue Ausgabe fünfmal in der Woche aus. Es ist das erste tagesaktuelle Fernsehnachrichtenangebot dieser Art in Deutschland. Wie es funktioniert, erläutert Projektleiterin Sonja Wielow.

Sonja Wielow

Projektleiterin und Redaktorin bei der deutschen «Tagesschau»

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Sonja Wielow arbeitet als Redaktorin bei der gebührenfinanzierten deutschen Rundfunkanstalt ARD. Zudem ist sie Projektleiterin der TV-Sendung «Tagesschau» in einfacher Sprache.

SRF News: Warum braucht es eine «Tagesschau» in einfacher Sprache?

Sonja Wielow: Wir haben festgestellt, dass es Millionen von Menschen in Deutschland gibt, die nicht gut lesen und schreiben können und Probleme haben mit der Verständlichkeit von Texten. Die sogenannte Leo-Studie der Uni Hamburg zeigt, dass in Deutschland etwa 17 Millionen Menschen auf dem Niveau eines Viertklässlers lesen und schreiben, oder sogar schlechter. Wir dachten uns: Das sind so viele Menschen, die müssen wir gezielt mit einem Angebot ansprechen, das wirklich gut auf sie zugeschnitten ist.

Müsste dann nicht auch die originale «Tagesschau», die um 20 Uhr läuft, einfach verständlich sein?

Richtig. Die Kolleginnen und Kollegen schreiben auch verständliche Texte. Aber die Menschen sind ganz unterschiedlich. Genau so, wie nicht jedem derselbe Schuh passt, passt nicht für jeden dieselbe Nachrichtensendung. Der Unterschied ist, dass sich die «Tagesschau» um 20 Uhr an ein Publikum richtet, das oft die Nachrichten konsumiert und schnell komplexere Sachverhalte verstehen kann. Aber es gibt Menschen, die können komplexe Dinge nicht so gut verstehen, weil sie vielleicht schlechter lernen oder lesen können, einen Schlaganfall oder eine Flucht hinter sich haben und Deutsch erst lernen.

Sie haben das unterschiedliche Publikum angesprochen. Wie definieren Sie denn die einfache Sprache?

Bei der einfachen Sprache richten wir uns an einer Norm für einfache Sprache des Deutschen Instituts für Normung (DIN). Sie schlägt zum Beispiel vor, kurze Sätze zu schreiben, Fremdworte zu vermeiden und schwierige Worte zu erklären. Wir versuchen auch, die Leute ganz woanders abzuholen und stellen die Meldungen auf den Kopf: Klassisch hat man am Anfang einer Nachrichtenmeldung immer das Neuste. Das hat auch seine Berechtigung, wenn man viel voraussetzen kann. Wir kommen auch zur Neuigkeit, aber erst am Schluss.

Manchmal brauchen wir für eine Meldung, die 30 Sekunden lang ist, schon einmal 50.

Um in einfacher Sprache zu schreiben und zu sprechen, wurden Medienschaffende entsprechend geschult. Wie herausfordernd ist eine einfache Sprache?

Das ist schon eine Herausforderung, gerade deshalb, weil wir es uns gewohnt sind, Texte schnell zu verstehen, uns täglich mit Nachrichten befassen und dadurch ein grösseres Vorwissen haben als andere Menschen. Davon muss man freikommen, den Kopf leeren und sich fragen: Wie wäre es, wenn ich neu in Deutschland bin oder nicht so viele Dinge auf einmal verarbeiten kann? Wie auch im normalen Nachrichtengeschäft haben wir die Herausforderung, komplizierte Sachverhalte einfacher zu erklären. Manchmal brauchen wir für eine Meldung, die 30 Sekunden lang ist, schon einmal 50 Sekunden. Zudem werden die Texte langsamer gesprochen. Wir müssen also einen gewissen Mut zur Lücke haben. Doch bei aller Vereinfachung ist die allergrösste Aufgabe, nach wie vor 100 Prozent korrekt zu sein.

Das Gespräch führte Nicole Roos.

SRF 4 News, 20.06.2024, 06:47 Uhr ; 

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