«Gross» sei die Ankündigung, die Donald Trump am Dienstag machen wolle. Oder frei übersetzt: «Es ist sehr wahrscheinlich, dass er erneut kandidiert», sagt Marco Steenbergen, Politikprofessor und Experte für US-amerikanische Politik an der Universität Zürich.
Trump kokettiert schon länger mit einer Kandidatur. Nun wäre sie die Flucht nach vorne. Denn der 76-Jährige erlitt in den vergangenen Tagen für seine Präsidentschaftsaspirationen einen Nackenschlag nach dem anderen.
Geht gerade ein neuer Stern auf?
Die Midterms verliefen nicht nach seinem Wunsch. Die rote Welle, ein Erdrutschsieg der Republikanischen Partei, blieb ebenso aus wie der Triumph seiner wahlleugnenden Anhängerschaft. «Trumps Chancen sind massiv gesunken», betont auch Steenbergen.
Ein Alphatier der amerikanischen Politik ist also angeschossen. Mitglieder der Republikanischen Partei lecken nun Blut. Allen voran Ron DeSantis. Denn genau wie die Midterms Trump die Flügel gestutzt haben, haben sie DeSantis beflügelt. Steenbergen: «Er ist im Aufwind.»
Wie Trump – und doch anders
Dass DeSantis eine Gefahr für Trump ist, bestätigt der ehemalige Präsident gleich selber. Und zwar mit einer Drohung. Sollte der mit einem Glanzresultat im Amt bestätigte Gouverneur aus Florida antreten, könne er «dabei Schaden nehmen», polterte er: «Ich weiss mehr über ihn als jeder andere.» Er sei «Ron DeSanctimonious» – «Ron der Scheinheilige».
Trotz all der Giftpfeile: DeSantis ähnelt Trump. Auch er gibt sich als Mann des Volks und zugleich als Gegner der Elite, auch wenn er an Topuniversitäten studiert hatte. Der 44-Jährige wettert gegen die Medien, unterstützt homophobe Vorschriften und will Wahlgesetze zu seinen Gunsten verändern. Er setzt auf Kulturkampf und buhlt um die Gunst der religiösen Rechten.
Doch DeSantis hebt sich eben auch von Trump ab. Er gilt als diplomatischer und intelligenter, weshalb ihn politische Gegnerinnen als gefährlicher einstufen. Zuletzt hat er auch eine Abgrenzung vollzogen. «Er will sich eindeutig als Alternative zu Trump positionieren», erklärt Steenbergen.
Alternativen sind rar gesät
In der Republikanischen Partei deutet also vieles auf einen Zweikampf zwischen Donald Trump und Ron DeSantis hin. Alternativen zu den beiden scheint es kaum zu geben. Der ehemalige Vize-Präsident von Donald Trump, Mike Pence, spielt zumindest mit dem Gedanken, zu kandidieren. Steenbergen relativiert aber: «Er hat eine Reihe von Schwächen.»
Erstens sei er der immer noch wichtigen Trump-Basis «zutiefst zuwider», weil er die Wahlen 2020 nach dem Sturm aufs Kapitol nicht gekippt hatte. Zweitens würde Pence im gleichen Wahlsegment wie DeSantis angeln, nämlich bei evangelikalen Wählern. «Ich schätze seine Chancen als gering ein», schliesst Steenbergen.
Auch der Name Liz Cheney wird immer wieder genannt. Die Tochter von Dick Cheney, Vize-Präsident von George W. Bush, «könnte eine Möglichkeit sein», sagt Steenbergen. Chancen als Aussenseiterin hätte sie aber nur, wenn sie als unabhängige Kandidatin antritt, in der Partei geniesst sie zu wenig Rückhalt.
Bis zu den Wahlen kann noch viel passieren. Das weiss auch Politikprofessor Steenbergen. Doch ein wahrscheinliches Szenario skizziert er trotzdem. Und darin ist nicht Donald Trump, sondern Ron DeSantis Präsidentschaftskandidat für die Republikanische Partei.