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Ukraine-Krieg: Russland bestätigt Offensive bei Charkiw
Aus Tagesschau vom 11.05.2024.
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Angriff auf Ostukraine Russische Vorstösse bei Charkiw: Beginnt nun eine Grossoffensive?

Russland hat eine Offensive im Grenzgebiet zur ukrainischen Millionenstadt Charkiw bestätigt. Der Kreml meldet, man habe unmittelbar hinter der Grenze fünf Dörfer eingenommen. Ist das der lang erwartete russische Vorstoss auf die zweitgrösste Stadt der Ukraine? Marcel Berni, Experte an der Militärakademie der ETH Zürich, schätzt die Lage ein.

Marcel Berni

Militärexperte

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Marcel Berni forscht und lehrt seit 2014 als wissenschaftlicher Assistent an der Schweizerischen Militärakademie der ETH Zürich. 2019 promovierte er mit einer Arbeit über kommunistische Gefangene im Vietnamkrieg an der Universität Hamburg. Seit 2022 vertritt er die Dozentur Strategische Studien in Forschung und Lehre.

SRF News: Was bezweckt Russland jetzt mit diesen Vorstössen?

Marcel Berni: Russland bezweckt mit den jüngsten Vorstössen vor allem drei Ziele: Erstens geht es darum, die ukrainischen Streitkräfte unter Zugzwang zu setzen. Das heisst, die Ukrainer zu zwingen, die eigenen Truppen aus dem Donbass und der Südukraine abzuziehen und in den Nordosten zu verschieben.

Wahrscheinlich ist ein Grossteil der westlichen Unterstützung derzeit noch auf dem Weg an die Frontlinie in der Ukraine und noch nicht einsatzbereit.

Zweitens versucht Russland, eine Art Pufferzone an der eigenen Grenze zu errichten, wo mit eigenen Artillerieangriffen auch die zweitgrösste Stadt Charkiw unter Feuer genommen werden kann. Drittens geht es darum, die Voraussetzungen für eine spätere Grossoffensive auf Charkiw zu schaffen.

Was sind die Risiken für die Ukraine?

Die Ukraine riskiert derzeit, dass die Russen auch nordöstlich von Charkiw Fuss fassen. Damit riskiert die Ukraine eine permanente Truppenkonzentration russischer Soldaten auf eigenem Gebiet – und zwar in einer Region, die sie im Jahr 2022 zurückerobert hat.

Zerstörte Häuser mit Trümmern und Rauch nach einer Explosion
Legende: Durch die russischen Vorstösse wurden in der Region Charkiw diverse Gebäude zerstört. (Bild vom 10. Mai 2024) REUTERS/Vyacheslav Madiyevskyy

Gibt es auch Gefahren für Russland mit dieser Taktik?

Russland riskiert derzeit, unter ukrainische Gegenangriffe zu kommen. Russland riskiert aber auch, mit dem Auftun einer zusätzlichen Front die eigenen Streitkräfte zu verzetteln. Also eigentlich genau das, was 2022 bereits passiert ist.

Was brauchen die ukrainischen Truppen, um die russischen Angriffe abzuwehren?

Die ukrainischen Truppen brauchen eigentlich mehr oder weniger das, was sie schon in den letzten Wochen und Monaten immer gefordert haben: nämlich westliche Unterstützung materieller Natur, insbesondere Artilleriemunition, aber eben auch westliche Luftabwehrsysteme.

Ich glaube, dass sich dieser Krieg noch lange in diesem Abnutzungsstadium befinden wird.

Helfen die jüngsten Waffenlieferungen bei der Abwehr der Angriffe?

Die jüngsten Waffenlieferungen dürften helfen. Es stellt sich diesbezüglich aber die Frage, ob der Grossteil davon schon an den Frontlinien angekommen ist. Wahrscheinlich ist ein Grossteil der westlichen Unterstützung derzeit noch auf dem Weg an die Frontlinie in der Ukraine und noch nicht einsatzbereit.

Ist das der Beginn der russischen Grossoffensive, die für den Frühsommer erwartet worden ist?

Ob es sich wirklich um den Beginn einer grossen russischen Offensive handelt, ist im Moment noch nicht beantwortbar. Ich denke, es handelt sich primär um konzentrierte taktische russische Vorstösse, die noch nicht zu einem operativen Durchbruch geführt haben.

Frau steht vor einem stark beschädigten Gebäude nach einem Brand.
Legende: Hunderte Menschen sind bereits aus Gebieten nahe der russischen Grenze in der ukrainischen Region Charkiw evakuiert worden. (Bild vom 11. Mai 2024) Keystone/EPA/GEORGE IVANCHENKO

Hat Russland überhaupt ausreichende Kapazitäten für eine Grossoffensive?

Wir beobachten derzeit grössere Truppenkonzentrationen im Nordosten des Landes. Das würde dafür sprechen, dass Russland in den nächsten Wochen und Monaten einen Fokus auf Charkiw, auf die zweitgrösste Stadt im Nordosten der Ukraine, legen dürfte.

Was erwarten Sie in der nahen Zukunft im Ukraine-Krieg?

Ich erwarte, dass es mehr oder weniger mit dem Stellungs- und Abnutzungskrieg weitergehen wird. Ich erwarte keinen grossen Durchbruch beider Seiten in den nächsten Wochen und Monaten. Und ich glaube, dass sich dieser Krieg noch lange in diesem Abnutzungsstadium befinden wird.

Das Gespräch führte Sabine Gorgé.

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Tagesschau, 11.05.2024, 19:30 Uhr ; 

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