- Nach dem tödlichen Anschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch hat der Terrorismus-Experte Peter Neumann mehr Hilfe von Internetkonzernen im Anti-Terror-Kampf eingefordert.
- Dem Attentäter von Christchurch ging es nach Einschätzung von Neumann mehr um Identität und Rasse als um Religion.
Zwar sei eine hundertprozentige Live-Überwachung von YouTube, Facebook und anderen Online-Plattformen zum Aufspüren blutrünstiger Terrorpropaganda unrealistisch, erklärte der Wissenschaftler den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Dennoch könnten die Unternehmen mehr tun als bislang, um etwa die Übertragung von Attentaten zu erschweren. «Gegen die rasante und massenhafte Verbreitung lässt sich nur mit mehr Einsatz von Personal und Technik vorgehen, mit deren Hilfe diese brutalen Videos gelöscht werden», sagte Neumann, der am Londoner King's College zu Extremismus und Radikalisierung forscht.
«Verantwortung der Unternehmen»
«Die brutale Tat live zu übertragen dient zum einen einer narzisstischen Selbstinszenierung des Täters», erklärte Neumann. «Zum anderen soll die Tat so medial verbreitet werden. Das ist neben Manifest und Verweisen durch den Attentäter Teil der Propaganda-Strategie.»
Die einschlägigen Online-Plattformen könnten dies mit geeigneten Mitteln durchkreuzen «und so auch ihrer Verantwortung als global agierende Unternehmen» gerecht werden.
Bei dem Doppelanschlag in Christchurch hatte der Täter während des Freitagsgebets wahllos auf Moschee-Besucher geschossen. Er tötete 49 Menschen, mehr als 40 wurden verletzt. Nach bisherigen Erkenntnissen handelte der Australier vermutlich als Einzeltäter.
Mit einer Helmkamera filmte er auch, wie er die Menschen erschoss. Die Bilder übertrug er live ins Internet.
«Neu-rechte Verschwörungstheorie»
Dem Attentäter von Christchurch ging es nach Einschätzung von Neumann mehr um Identität und Rasse als um Religion. «Die Tat beruhte auf der neu-rechten Verschwörungstheorie, dass westliche Länder systematisch ihre weissen, europäischen Bevölkerungen mit Nicht-Europäern, vor allem Muslimen, 'austauschen würden'», sagte Neumann der «Rhein-Neckar-Zeitung».
Und weiter: «Das ist natürlich Unsinn, ist aber in rechten und auch populistischen Kreisen eine sehr populäre These. Da hat sich nicht die Religion radikalisiert, sondern die Rechte. Das ist purer Rassismus.»
«Teilweise weit unter dem Radar»
Der Terrorismusforscher vom Londoner King's College sieht eine wachsende Polarisierung von Islamophoben und Islamisten. In Deutschland sei die «offene rechtsextreme Szene» den Behörden gut bekannt.
Dagegen liefen Internet-Foren, in denen auf rechte Attentäter Bezug genommen werde, «teilweise weit unter dem Radar» der Ermittler. «Mein Rat an die Behörden wäre daher, vor allem in diesem Bereich kräftig aufzurüsten und die Überwachung von islamophoben Internetforen auszuweiten.»