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Attacke auf Weihnachtsmarkt Magdeburg-Attentäter drohte schon 2013 mit Anschlag

Die Opfer, der Täter, das mögliche Motiv: Das ist bekannt über die Attacke auf den Weihnachtsmarkt.

Die Tat: Ein Auto ist am Freitagabend kurz nach 19 Uhr auf dem Weihnachtsmarkt im ostdeutschen Magdeburg in eine Menschenmenge gerast. Bei der Tat kamen laut Polizei vier Frauen im Alter von 45, 52, 67 und 75 Jahren sowie ein 9-jähriges Kind ums Leben. «Wir haben fünf Menschenleben zu beklagen und 200 Verletzte, davon viele schwerst und schwer verletzt», sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Tatort.

Der Todesfahrer wurde unmittelbar nach der Tat von Polizisten überwältigt. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg beantragte einen Haftbefehl gegen den 50-jährigen Verdächtigen. Ihm wird fünffacher Mord, mehrfacher versuchter Mord und mehrfache gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, teilte die Polizei am Sonntagmorgen mit. Er war zuvor einem Haftrichter vorgeführt worden.

Polizisten vor abgesperrtem Weihnachtsmarkt.
Legende: Polizeikräfte stehen am Magdeburger Weihnachtsmarkt, einen Tag nachdem ein Auto dort in eine Menschenmenge gerast ist. Imago/Bernhard Herrmann

Der Täter: Der Festgenommene ist ein Arzt aus Bernburg, der aus Saudi-Arabien stammt. Das Motiv bleibt unklar. Möglicherweise war es Unzufriedenheit mit dem Umgang von Flüchtlingen aus Saudi-Arabien in Deutschland, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt. In sozialen Netzwerken präsentierte sich der Mann als vehementer Kritiker des Islams und des repressiven Machtapparats in Saudi-Arabien.

Er soll in der saudischen Exil-Community eine prominente Figur sein und als Ansprechpartner für Asylsuchende gegolten haben. Seit 2016 hat er den Asylstatus als politischer Flüchtling. Er soll auch Sympathien für die AfD gezeigt und vor einer Islamisierung Deutschlands gewarnt haben.

Nancy Faeser in Magdeburg
Legende: «Wir können gesichert sagen, dass der Täter islamophob war», sagte Innenministerin Nancy Faeser (Bildmitte) in Magdeburg. Keystone/EPA/Filip Singer

Frühere Anschlagsdrohung: Der Magdeburg-Attentäter hat offenbar bereits 2013 mit einer terroristischen Tat gedroht. Hintergrund ist nach Angaben des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern ein Streit mit der Ärztekammer des Landes. Im Zuge seiner Facharztausbildung habe es wohl Streitigkeiten über die Anerkennung von Prüfungsleistungen gegeben. Daraufhin habe er Handlungen angedroht, die international Beachtung finden würden und auf den Anschlag von Boston vom April 2013 verwiesen. 

Hätten die Behörden früher handeln müssen?

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Terrorismusexperte Peter Neumann sagte im ZDF, der Täter habe nicht in ein bestimmtes Raster gepasst. «Er war eben kein typischer Islamist. Er war ein Saudi, der sich gegen den Islam gewendet hat. Das passt für Behörden nicht so richtig in die gängigen Schemata rein.»

Zudem habe man heute eine Flut von Informationen von Tausenden von Leuten, die im Internet ähnliche Botschaften sendeten. «Es ist enorm schwierig zu unterscheiden: Wer meint es ernst, und wer ist nur auf dem Internet und macht Sprüche?»

Mehrfache Hinweise an Sicherheitsbehörden

Der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sagte am Samstagabend im ZDF, das BKA habe im November 2023 einen Hinweis aus Saudi-Arabien zu dem Mann bekommen. «Es ist auch ein Verfahren eingeleitet worden und die Polizei in Sachsen-Anhalt hat entsprechende Ermittlungsmassnahmen vorgenommen.» Die Sache sei aber unspezifisch gewesen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat vor der Attacke ebenfalls einen Hinweis zu dem Täter erhalten. Dieser sei im Spätsommer 2023 über die Social-Media-Kanäle eingegangen. «Der Hinweis wurde ernst genommen», teilt das Bundesamt auf X mit. Da man selbst keine Ermittlungsbehörde sei, sei die hinweisgebende Person direkt an die verantwortlichen Behörden verwiesen worden.

Im Zuge einer Wohnungsdurchsuchung seien jedoch keine Hinweise auf eine reelle Anschlagsvorbereitung gefunden worden, ebenso keine islamistischen Bezüge. 2014 soll der Mann in Stralsund um Hilfe für seinen Lebensunterhalt gebeten haben und erneut mit einer Tat gedroht haben, an die man sich erinnern werde. Daraufhin habe es eine sogenannte Gefährderansprache durch die Polizei gegeben.

Täter nutzte Rettungsgasse: Der Täter soll mit seinem Wagen über einen Flucht- und Rettungsweg auf den Weihnachtsmarkt gelangt sein. Dieser war nach Angaben der Stadt nicht durch Sperren oder Poller geschützt. Notarzt und Feuerwehr sollten so bei Unfällen oder anderen Einsätzen auf den Platz gelangen können, sagte Ronni Krug, Beigeordneter für Personal, Bürgerservice und Ordnung der Stadt. Dort seien mobile Einsatzkräfte der Polizei stationiert gewesen. Das Konzept habe sich «über lange Jahre bewährt». 

Kritik an Sicherheitskonzept in Magdeburg

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Der Extremismus-Experte Hans-Jakob Schindler äusserte in den ARD-«Tagesthemen» Zweifel am Sicherheitskonzept des Magdeburger Weihnachtsmarkts. Es sei seit Jahren bekannt, dass Fahrzeuge und Menschenansammlungen eine sehr gefährliche Kombination darstellten. Es sei daher «schwer zu erklären, wieso es einem Fahrzeug gelungen ist, auf einen Weihnachtsmarkt in Deutschland zu gelangen», sagte er.

Die Reaktionen: Bundeskanzler Olaf Scholz hat die tödliche Attacke als «furchtbare, wahnsinnige Tat» bezeichnet. Es gebe keinen friedlicheren und fröhlicheren Ort als einen Weihnachtsmarkt, sagte Scholz am Tatort in Magdeburg.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X, er sei zutiefst schockiert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete die Tat als «brutal und feige». Und Bundespräsidentin Viola Amherd schrieb auf X, ihre Gedanken seien bei den Opfern und ihren Angehörigen.

SRF 4 News, 22.12.2024, 04:00 Uhr ; 

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