Worum geht es? Eine Gruppe sogenannter Reichsbürger soll in Deutschland ab spätestens November 2021 den Umsturz und die Wiedererrichtung eines «Deutschen Reichs» geplant haben – so die Erkenntnisse der deutschen Bundesstaatsanwaltschaft. Demnach lagen konkrete Pläne vor für die Bildung einer Regierung, an deren Spitze der 71-jährige Adelige Heinrich XIII. Prinz Reuss aus Hessen vorgesehen war.
Landesweite Grossrazzia – Auslieferungsverfahren
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Die deutsche Bundesanwaltschaft liess am Mittwoch in elf Bundesländern sowie in Italien und Österreich insgesamt 25 Menschen festnehmen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Bei 19 Verdächtigen wurden die Haftbefehle umgehend vollzogen, sie befinden sich somit in Untersuchungshaft. Insgesamt gibt es 54 Beschuldigte, es wird deshalb mit weiteren Haftbefehlen gerechnet. An den Razzien am Mittwoch – bei denen auch Waffen gefunden wurden – waren 3000 Polizistinnen und Polizisten beteiligt.
Am Freitag hat die deutsche Bundesanwaltschaft Auslieferungsverfahren gegen zwei im Zuge der «Reichsbürger»-Razzia in Österreich und Italien festgenommene Männer eingeleitet. Wann die beiden den Ermittlungsrichtern des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe vorgeführt werden können, stand noch nicht fest.
Was sind «Reichsbürger»? Die «Reichsbürger» erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an und verweigern die Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden. Steuern wollen sie keine bezahlen. Sie behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) noch immer existiere. Die Bewegung gilt als sehr heterogen, hat aber oft Verbindungen ins rechtsextreme Milieu. Auch im Lager der sogenannten Querdenker und Corona-Leugner sind sie zu finden. Die deutschen Behörden gingen 2021 von insgesamt 21'000 «Reichsbürgern» aus. Viele von ihnen glauben an einen «Tiefenstaat» («Deep State»), eine Parallelstruktur eines Geheimbundes, dem sie Widerstand leisten müssten.
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Razzia gegen «Reichsbürger»-Gruppe
Aus Tagesschau vom 07.12.2022.
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Wer ist Heinrich XIII. Prinz Reuss? Der mutmassliche Kopf der «Reichsbürger»-Gruppe fiel mehrmals mit antisemitischen Verschwörungsgeschichten auf – unter anderem auch im Rahmen eines Vortrags 2019 in Zürich am World Web Forum. Reuss soll Verbindungen nach Russland haben – seine 39-jährige Lebensgefährtin ist Russin. Über sie soll Reuss Kontakt zu russischen Stellen aufgenommen haben. Der Rat plante laut den deutschen Untersuchungsbehörden, mit der Russischen Föderation die neue staatliche Ordnung in Deutschland zu verhandeln. Umgehend wies die russische Botschaft in Berlin jegliche Verbindungen zu der Gruppe zurück.
Getrieben von Verschwörungsideologien
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Laut der deutschen Innenministerin Nancy Faeser ist die mutmassliche terroristische Vereinigung der «Reichsbürger», gegen die die Razzien am Mittwoch gerichtet war, von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben. «Militante Reichsbürger verbindet der Hass auf die Demokratie, auf unseren Staat und auf Menschen, die für unser Gemeinwesen einstehen.» Die Sicherheitsbehörden gingen mit aller rechtsstaatlichen Konsequenz gegen solche Bestrebungen vor, erklärte Faeser und fügte hinzu: «Diese harte Gangart werden wir fortsetzen.» Allerdings würden erst die weiteren Ermittlungen zeigen, wie weit die Umsturzpläne tatsächlich schon gediehen gewesen seien. Faeser warnte davor, die Gruppierung zu unterschätzen.
Wer gehört sonst noch zur Gruppe? Die Ermittlungen der deutschen Bundesanwaltschaft richten sich u.a. auch gegen einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr sowie gegen mehrere Reservisten der Bundeswehr. Unter den Verdächtigen ist zudem die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Sie sass von 2017 bis 2021 im Bundestag, im März 2022 kehrte sie in den Richterdienst zurück und war zuletzt am Landgericht Berlin tätig.
Das sagt Terror-Experte Christian Fuchs
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Gefährlich macht die jetzt ausgehobene «Reichsbürger»-Gruppe deren spezielle Organisation, wie der Journalist und Terrorspezialist Christian Fuchs von der deutschen Zeitung «Zeit» im «Tagesgespräch» sagt. «Die besonders toxische Mischung besteht darin, dass es einen politischen und einen militärischen Flügel in der Gruppe gab.» Das sei eine neue Dimension für eine Terrorgruppe in Deutschland. Die Gruppe plante offenbar, das Bundestagsgebäude zu stürmen und Parlamentarierinnen und Parlamentarier als Geiseln zu nehmen. Einlass hätten dem Kommando die ehemalige AfD-Abgeordnete Malsack-Winkemann verschaffen sollen, die über eine Zugangsberechtigung verfügte. Die Pläne seien plausibel, sagt Fuchs. Man habe in den letzten Jahren mehrere Fälle erlebt, dass Rechtsextremisten mithilfe der AfD ins Bundestagsgebäude gelangt seien und dort Abgeordnete bedrängt hätten.
Wie ist die Gruppe organisiert? Die jetzt ausgehobene Gruppe «Reichsbürger» hat laut den deutschen Behörden noch keinen Namen. Zentrales Gremium sei aber ein «Rat» – eine Art Schattenkabinett – mit verschiedenen Ressorts wie Justiz, Aussen und Gesundheit. Seit November 2021 hätten sich die Ratsmitglieder regelmässig in einem Jagdschloss in Thüringen getroffen, um die Machtübernahme in Deutschland zu planen. Ein «militärischer Arm» sollte Waffen beschaffen sowie den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen «beseitigen», hiess es weiter. Dabei wären bewusst auch Tote in Kauf genommen worden.
Polizisten und Soldaten anheuern
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Die Armeeangehörigen unter der Gruppe hätten laut Bundesanwaltschaft vor allem weitere Angehörige der Bundeswehr und der Polizei für den geplanten Staatsumsturz rekrutieren wollen. Bei mindestens vier Treffen in Baden-Württemberg im Sommer 2022 hätten mutmassliche Mitglieder für die terroristische Vereinigung und ihre Ziele geworben. Angehörige des «militärischen Arms» hätten Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet, «um sie auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren», so die Bundesanwaltschaft.
Was wussten die Behörden? Laut dem deutschen Verfassungsschutz hatten die Sicherheitsbehörden die «Reichsbürger»-Gruppierung seit Frühling 2022 im Visier. Man habe einen recht klaren Überblick über deren Entwicklung und Pläne, hiess es weiter. Die Planungen seien dann immer konkreter geworden und es seien Waffen beschafft worden. Man habe die Lage aber jederzeit unter Kontrolle gehabt. Trotzdem: Man habe nicht bis zum letzten Moment warten wollen, sondern genug Beweise sammeln, dass es sich um eine terroristische Vereinigung handele, so der BKA-Chef. So kam es zu den Razzien am Mittwoch.
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