Darum geht es: Die Türkei hat die Aufnahme in die Brics-Gruppe aufstrebender Volkswirtschaften beantragt. «Unsere Anfrage in dieser Angelegenheit ist klar, der Prozess ist im Gange», antwortete der Sprecher der Regierungspartei AKP, Ömer Celik, auf entsprechende Berichte in Ankara. Die Brics-Staaten hätten dazu aber noch keine Bewertung abgegeben.
Das sind die Brics-Staaten: Die von Russland und China dominierte Gruppe grosser Schwellenländer trifft sich Ende Oktober in Kasan, Hauptstadt der Teilrepublik Tatarstan. Zu der Allianz gehören neben Russland Brasilien, Indien, China und Südafrika. Seit Januar ist auch Iran Mitglied. Die Türkei wäre das erste Nato-Land, das der Vereinigung beitritt. Ziel der Allianz ist es, ein Gegengewicht zur geopolitischen und wirtschaftlichen Dominanz des Westens zu bilden.
Das würde eine Türkei-Aufnahme bedeuten: «Dieser Beitrittswunsch ist nicht grundsätzlich ein Problem oder gar unmöglich, da die Brics-Staaten nicht eine fixe Organisation sind, sondern eine lose Gruppierung», erklärt Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent bei SRF. Die Brics-Staaten hätten keine militärische Komponente und daher sei die gleichzeitige Zugehörigkeit eines Landes zur Nato und zur Brics-Gruppe nicht ausgeschlossen. Aber der Aufnahmewunsch seitens der Türkei sei ein klares Signal: «Die Türkei hat sich unter Präsident Erdogan zunehmend vom Kreis der demokratischen Staaten abgewendet.»
Das sind mögliche Gründe: Die Türkei plane keinen Nato-Austritt, aber sie werde immer autoritärer, so Gsteiger. «Sie hat unter anderem auch bei Russland Waffen gekauft. Sie hat sich im Ukrainekrieg nicht der westlichen Position angeschlossen, ist also innerhalb des Verteidigungsbündnisses zunehmend ein Fremdkörper.» Einen möglichen Grund für den jetzigen Aufnahmewunsch der Türkei hat der Experte bereits ausgemacht: «Ein wichtiger Punkt dürfte Erdogans Frustration sein, weil ein EU-Beitritt für sein Land auf absehbare Zeit nicht realistisch ist.»
So würden die Brics-Staaten profitieren: «Die Türkei ist eine wichtige Wirtschaftsmacht und befindet sich geostrategisch in einer zentralen Position zwischen Europa, dem Nahen Osten und dem Kaukasus.» Ein Beitritt der Türkei würde auch einen symbolischen Erfolg darstellen, da die Türkei sich mit diesem Beitritt weiter vom Westen abwenden würde, so Gsteiger. «Es gäbe bei den führenden Brics-Mitgliedern, allen voran China, sicher auch eine gewisse Häme gegenüber dem Westen, weil dadurch deutlich würde, dass Chinas weltpolitischer Einfluss grösser wird.»
So stellen sich die Brics-Staaten für die Zukunft auf: Zunächst seien die Brics-Staaten an sich vor allem als Interessenvertretung der Schwellenländer auf der internationalen Bühne aufgetreten. «Unter Chinas dominierenden Einfluss haben sie sich aber ein Stück weit schon zu einem antiwestlichen Block gewandelt», so Gsteiger. Die westlichen G7-Staaten seien inzwischen auch wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine wieder geschlossen, und die Brics-Gruppe sehe sich entsprechend stärker auch als Gegenkraft zu den westlichen Staaten. «Zusätzlich ist die Brics-Gruppe auch ein Instrument für Chinas Ambition, die USA als dominierende Weltmacht abzulösen und nach Möglichkeit China als die Supermacht weltweit zu etablieren.» Bisher habe die Brics-Gruppe jedoch eher bescheidene Erfolge aufzuweisen, so Gsteiger.