Schalten und walten wie er will, das kann Javier Milei nicht. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht so wirkt. In den ersten drei Wochen seiner Regierung beschloss Milei gleich drei weitreichende Änderungen: Zuerst verkündete er eine Schocktherapie: Zehn sofort geltende Notmassnahmen. So wertete der Präsident etwa die Landeswährung, den argentinischen Peso, um die Hälfte ab.
Als Zweites unterzeichnete Milei ein weitreichendes Notrechtsdekret. Es ändert eine Reihe Gesetze oder hebt sie gar auf. Das Dekret schränkt zum Beispiel das Demonstrations- und Streikrecht ein und erklärt, dass staatliche Firmen privatisiert werden.
Unsere Verfassung sieht zwar vor, dass dem Präsidenten weitreichende Rechte übertragen werden können – aber nicht für einen derart langen Zeitraum. Das widerspricht dem Prinzip der Gewaltenteilung – auch die ist in der Verfassung verankert.
Als Drittes legte Milei dem Parlament dann ein voluminöses Gesetzespaket vor – die sogenannte Ley Omnibus. Das Paket umfasst über 660 Artikel und sieht eine Ausweitung des Notrechts vor. Es soll bis Ende 2025 gelten und danach nochmal für zwei Jahre verlängert werden können. Im Extremfall könnte Milei so seine ganze Amtszeit als Präsident, vier Jahre lang, per Notrecht am Parlament vorbei regieren.
Das verstosse gegen die argentinische Verfassung, sagt Tomás Múgica – Politologe an der Universidad Católica Argentina: «Unsere Verfassung sieht zwar vor, dass dem Präsidenten weitreichende Rechte übertragen werden können – aber nicht für einen derart langen Zeitraum. Das widerspricht dem Prinzip der Gewaltenteilung – auch die ist in der Verfassung verankert».
Argentinisches Gericht bremst Milei aus
Gegen Mileis Vorgehen gibt es bereits Klagen. So hat ein Gericht Mileis per Notrecht beschlossene Arbeitsmarktreform kürzlich in erster Instanz für ungültig erklärt. Eine Berufung ist wahrscheinlich und weitere Klagen sind noch hängig.
Um Mileis Politik gekämpft wird nicht nur vor Gericht, sondern auch im Parlament: In ausserordentlichen Sessionen soll das Parlament im Schnelldurchlauf nun Mileis per Notrecht beschlossenes Dekret und die Ley Omnibus entweder bestätigen oder kippen – das alles möglichst bis Ende Januar.
«Ein grosser Teil der Gesellschaft und des Parlaments unterstützen Mileis Politik im Inhalt – die Liberalisierung der Wirtschaft. Aber mit seinem Vorgehen, wie er das macht, sind sie nicht einverstanden. Sie wollen nicht, dass der Präsident uneingeschränkte Macht erhält», so Experte Múgica. Milei hingegen will den ganzen Staat umbauen: vom Straf- über das Zivil- bis zum Steuerrecht.
Nur teilweise Rückhalt für Mileis Politik
«Für verschiedene Gruppen stehen da eine Reihe unterschiedlicher Interessen auf dem Spiel. Es ist komplex. Ich glaube daher nicht, dass das Parlament die Ley Omnibus einfach durchwinken wird. Und auch das Notrechtsdekret wird es wohl abändern. Denn die Zustimmung für Mileis Politik ist nur zum Teil da», so der Politologe.
Und Mileis Partei, La Libertad Avanza, hat im Parlament ohnehin keine Mehrheit. Das wahrscheinlichste Szenario ist somit, dass das Parlament eine Kurskorrektur vornimmt, Mileis Reformen abschwächt und seine Politik etwas bremst.