Der Mann mit Wuschelfrisur und Kettensäge versprach schon im Wahlkampf, er wolle den Staat zersägen. Kein Stein werde auf dem anderen bleiben. Trotzdem wurde Javier Milei zum Präsidenten Argentiniens gewählt. Jetzt hat er dem Kongress einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem er bis Ende 2025 den Notstand ausrufen will. Dieser soll bis zum Ende seines Mandats verlängert werden können.
Das Vorgehen erstaune nicht, denn es decke sich mit den Ankündigungen Mileis, stellt der Politologe und Lateinamerika-Experte Wolf Grabendorff fest. Fraglich sei allerdings die Verfassungsmässigkeit des Unterfangens.
Notrecht für fast alles?
Denn das von Milei angerufene Gesetz sei mit Blick auf Notstandslagen wie Katastrophen geschaffen worden. Ob die jetzt vorgelegte Omnibus-Gesetzgebung mit rund 700 Einzelmassnahmen von einem Gericht getragen würde, müsse stark bezweifelt werden.
Bereits letzte Woche, als der ultraliberale Präsident per Dekret bestimmte Gesetze aufheben liess, flammten Proteste auf. Das neuste Reformpaket sieht neben einem Machtzuwachs des Präsidenten auch Demonstrationsbeschränkungen vor. Dazu eine Wahlreform, Steueränderungen und Befugnisse der Exekutive zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen.
Drohendes Versammlungsverbot
Als besonders kritisch beurteilt Experte Grabendorff die geplante Einschränkung der Demonstrationsfreiheit. So müssten künftig Ansammlungen von mehr als drei Personen angemeldet werden, und bei Verkehrsbehinderungen drohten Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Trotzdem hätten die in Argentinien starken Gewerkschaften mit Demonstrationen zugewartet, auch aus Furcht vor militärischen Auseinandersetzungen auf der Strasse.
Argentinien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 160 Prozent. 40 Prozent der Menschen des einst reichen Landes leben unter der Armutsgrenze.
Chancen Mileis eher gering
Die Chancen sind laut Grabendorff relativ gering, dass sich der Nationalkongress gewinnen lässt und das Notrechtspaket tatsächlich bewilligt wird. Milei hat in der Abgeordnetenkammer nur rund 20 Prozent der Abgeordneten hinter sich, im Senat nur jedes zehnte Mitglied. Notstandsdekrete früherer Präsidenten hatte der Kongress zwar immer abgesegnet, aber sie waren nie derart umfangreich.
Die Proteste der letzten Tage zeigten, dass die Polarisierung noch schlimmer geworden sei, so Grabendorff: «Die demokratischen Regeln sind zumindest in Frage gestellt, viele im Land erwarten kein gutes Ende.» Mittlerweile wurde für den 24. Januar gar ein Generalstreik angekündigt.