Was hat er nicht alles gesagt, meist vor laufenden Kameras: Steuern seien Diebstahl. Wenn er zwischen dem Staat und der Mafia wählen müsse, er ziehe die Mafia vor. Die Zentralbank müsse man in die Luft sprengen, die Waffengesetze lockern. Organhandel sei «auch nur ein Markt». Nun ist Javier Milei der nächste Präsident Argentiniens.
Milei will Argentinien umkrempeln
In seiner ersten Ansprache nach der Wahl am Sonntagabend gab sich Milei ruhig und bestimmt. Unter seiner Präsidentschaft beginne der «Wiederaufbau» Argentiniens, mit Freihandel und ohne Privilegien. Zeit für graduelle Veränderungen gebe es nicht: Er werde das Land schnell umkrempeln.
Milei konnte gewinnen, weil er sich als «der Neue» präsentierte, als einen Aussenseiter und Gegner der «politischen Kaste». Doch um die Wahl für sich zu entscheiden, ist er längst Allianzen mit dem Establishment eingegangen, etwa mit Ex-Präsident Mauricio Macri. Im Parlament wird seine Regierung dennoch keine Mehrheit haben. Im Wahlkampf versprach er, öffentliche Leistungen und Staatsausgaben «mit der Kettensäge» zu reduzieren.
Argentinischer Peso unter Druck
Bis zum Amtsantritt sind es fast drei Wochen – in der instabilen Situation Argentiniens eine gefühlte Ewigkeit. Die abgewählte Regierung hat so gut wie keine Handhabe mehr, es besteht die Gefahr einer abrupten Abwertung des argentinischen Pesos, der schon länger peu à peu an Wert verliert. Eins der Wahlversprechen von Milei ist die Dollarisierung Argentiniens. Den Peso bezeichnete er einmal als «Exkrement».
Viel hängt daher von einem für heute anberaumten Treffen zwischen dem scheidenden Präsidenten Alberto Fernández und Javier Milei ab: Wird es eine Übereinkunft für eine geregelte Übergabe geben? Mehrfach sagte Milei in Interviews, er habe nichts dagegen, wenn die Wirtschaft «explodiert». Eine heikle Ansage in einem Krisenland: Rund 40 Prozent der Bevölkerung sind arm.
Weil heute in Argentinien ein Feiertag ist, wird die Reaktion der Märkte erst am Dienstag abzulesen sein. Dann werden die Argentinier in erster Linie auf den Wechselkurs des Pesos im Vergleich zum US-Dollar schauen, der direkte Auswirkungen auf den Alltag hat, etwa auf die Lebensmittelpreise. Dann wird sich auch zeigen, ob es einen Run auf die Banken gibt. Werden die Argentinierinnen ihre Sparguthaben in Pesos von den Bankkonten abheben, wie es Milei vor dem ersten Wahlgang geraten hatte?
Argentinien im Reset-Modus
In der derzeitigen, instabilen Situation des Landes wird es zunächst und in erster Linie um die Wirtschaft gehen. Doch die Wahl Mileis bedeutet auch ein Rütteln an den Grundfesten eines Landes, das lange stolz auf sein öffentliches Bildungssystem war und nach der letzten Militärdiktatur «nunca más» sagte, nie wieder Staatsterrorismus.
Mit Milei zieht nun eine Vizepräsidentin in das rosafarbene Regierungsgebäude, die «casa rosada», ein, die die Verbrechen der Militärjunta relativiert und verurteilte Folterer schon als politische Häftlinge bezeichnete.
Argentinien befindet sich im «Reset»-Modus. Die Wut der Wählerinnen und Wähler war grösser als die Angst vor einem Sprung ins Ungewisse.