Darum geht es: Die Insel Grönland, ein weitgehend autonomes Gebiet Dänemarks, ist in diesen Tagen vermehrt in den Schlagzeilen. Der künftige US-Präsident Donald Trump möchte, dass Grönland «Teil der Nation» wird. Der grönländische Premierminister betont an Neujahr derweil die Unabhängigkeit Grönlands. Man müsse «die Fesseln des Kolonialismus beseitigen». Und der dänische König Frederik ändert das dänische Staatswappen – wohl als Reaktion auf Trumps Drohungen.
Beziehung mit Dänemark hat Risse: In den letzten Wochen habe die Beziehung zwischen Dänemark und Grönland einen neuen Tiefpunkt erreicht, sagt SRF-Nordeuropakorrespondent Bruno Kaufmann. «Zum Beispiel gibt es den Sprachenstreit im dänischen Parlament, in dem bisher die grönländischen Abgeordneten auch immer Dänisch sprechen mussten und es keine Übersetzung gab.» Im grönländischen Parlament gebe es jedoch eine dänische Übersetzung. Nun wehrten sich die Grönländerinnen und Grönländer. «Zudem gab es in den letzten Jahrzehnten Übergriffe auf die grönländische Bevölkerung – vor allem Zwangssterilisierungen vieler Grönländerinnen, die bis heute nicht aufgearbeitet sind.» Und schliesslich sei da noch die grosse Frage, um den Vorsitz im arktischen Rat, dem Kooperationsorgan der Arktis. «Dort übernimmt jetzt Dänemark den Vorsitz. Die Grönländer haben aber klar gesagt, dass sie einer ihrer eigenen Leute als Präsidenten haben wollen.»
Der Wunsch nach Unabhängigkeit: Dieser sei stärker als je zuvor, sagt Kaufmann. Grönland, das 1953 von Dänemark annektiert wurde, sei zuvor eine ferne Kolonie gewesen, in der man ein eigenständiges Leben geführt habe. «Als Dänemark, gegen den Willen der UNO, Grönland zur eigenen Provinz erklärte, versuchte es die grösste Insel der Welt zu einem Teil Dänemarks zu machen – auch kulturell und politisch.» Später folgten Meilensteine wie die erste Autonomie 1979 und 2008 das Selbstständigkeitsgesetz, welches den Grönländern und Grönländerinnen mehr Rechte gab. Nun aber habe Regierungschef Múte Bourup Egede in seiner Neujahrsansprache überraschend erklärt, es sei Zeit für den nächsten Schritt. «Das spricht für die Unabhängigkeit», sagt Kaufmann.
Die Dreiecksbeziehung: «Dänemark und Grönland sind bis heute, was den Handel betrifft, stark miteinander verbunden. Es gibt kaum Handel nach Westen», sagt Kaufmann. Gleichzeitig sind die USA seit dem Zweiten Weltkrieg militärisch präsent und haben im Norden Grönlands eine der grössten Luftwaffenstützpunkte ausserhalb der USA. «Die Frage für Grönland ist jetzt, wie man diese verschiedenen Interessen ausgleicht. Man möchte sich nicht ganz von Dänemark lösen, aber gleichzeitig hat man Interesse daran, mit den USA einen weiteren starken Partner zu erhalten.»
So geht es mit Grönland weiter: Dieses Jahr stehen in Grönland Neuwahlen an. «Bei diesen wird es stark darum gehen, ob Grönland die Unabhängigkeit anstreben soll», sagt Kaufmann. Sollte die bisherige Koalition, die dies befürwortet, gewinnen, könnte es zu einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit kommen. «Gleichzeitig wird es darum gehen, wie Dänemark und die USA in diesem Dreiecksdrama miteinander auskommen.» Wann und wie Grönland unabhängig werden kann, sei unklar. «Meine Einschätzung ist, dass es in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu einem neuen unabhängigen Land wird.»