Seit Tagen ist die einzige Verbindungsstrasse blockiert, die die armenisch besiedelte Exklave Berg-Karabach mit dem armenischen Kernland verbindet. Seit Montag protestieren dort Aserbaidschanerinnen und Aserbaidschaner gegen die «illegale Ausbeutung von Bodenschätzen», wie sie geltend machen.
Ihnen stehen vermummte, bewaffnete russische Soldaten gegenüber. Diese gehören zu den russischen Friedenstruppen, die seit dem Ende des jüngsten Krieges zwischen Aserbaidschan und Armenien die Sicherheit der Karabach-Armenier garantieren sollen.
Proteste gegen Ausbeutung
Die protestierende Menge verlangt Zugang zu den Minen in Karabach, in denen illegal und umweltverschmutzend Bodenschätze ausgebeutet würden. Und man kritisiert, dass die Bodenschätze über diese Strasse nach Armenien geschafft würden. Denn Karabach, so ihre Überzeugung, gehört zu Aserbaidschan – samt den dort schlummernden Bodenschätzen.
Vervielfältigt wird die Aktion von zahlreichen aserbaidschanischen Medien vor Ort. Doch Beobachter sind überzeugt, dass dies kein zivilgesellschaftlicher Protest ist. Die Aktivisten sollen der aserbaidschanischen Regierung nahe stehen – dazu gäbe es zahlreiche Hinweise.
Armenische Hilferufe
Die Blockade der Lebensader von Berg-Karabach hat gravierende Auswirkungen auf die dortige armenische Bevölkerung. Diese schickt Hilferufe an die Welt.
So sagte etwa der Ombudsmann für Menschenrechte in einer Video-Botschaft: Die Blockade habe katastrophale humanitäre Konsequenzen. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten sei unterbrochen. Tausende seien von der Aussenwelt abgeschnitten. Ausserdem wurden Familien getrennt und schwer Kranke können nicht zur Behandlung nach Armenien gebracht werden.
Kein Erdgas mehr
Seit Dienstag fliesst auch kein Erdgas mehr. Schulen sind geschlossen, weil sie nicht beheizt werden können. Das Gas kommt aus Armenien, gelangt aber über aserbaidschanisch kontrolliertes Territorium in die Bergregion.
Aserbaidschan verneint jedoch, mit dem Gasstopp etwas zu tun zu haben. Überhaupt: Es seien die russischen Truppen, die die Strasse blockiert hätten.
Baku übt Druck aus
Die ganze Aktion der «Umweltschützer» dient wohl dazu, Druck auszuüben: auf die russischen Friedenstruppen, die ihr unklar definiertes Mandat nicht so ausfüllen, wie Aserbaidschan es möchte und auf Armenien, damit das Land bei den laufenden Verhandlungen Konzessionen macht. Denn die beiden Nachbarländer ringen seit dem Waffenstillstand vor zwei Jahren um einen Friedensvertrag.
Baku möchte die volle Kontrolle über Berg-Karabach zurück, das völkerrechtlich tatsächlich zu Aserbaidschan gehört. Aber die dort verbliebenen Armenier wehren sich mit aller Kraft dagegen. Aus Armenien kommen gemischte Signale.
Armeniens Premier Nikol Paschinjan hatte in letzter Zeit ein Einlenken signalisiert. Baku und Eriwan wollten eigentlich bis Ende Jahr einen Durchbruch bei den Verhandlungen erzielen. Damit ist nun wohl kaum zu rechnen.