Nach dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron reist morgen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zu US-Präsident Donald Trump nach Washington. Eines der Hauptthemen wird auch dabei das Atomabkommen mit Iran sein. Auch Deutschland wird versuchen, den USA den angekündigten Ausstieg auszureden. Als Kompromissvorschlag hat Macron bei seinem Besuch im Weissen Haus eine weitergehende Folgevereinbarung ins Spiel gebracht, die das iranische Raketenprogramm mitberücksichtigen würde. Dieses war – aus Angst vor einem Scheitern – 2015 im Atomabkommen ausgeklammert worden. Iran-Experte Walter Posch schätzt die Lage ein.
SRF News: Was ist von einer Folgevereinbarung zu halten?
Walter Posch: Eine Folgevereinbarung bringt alle Seiten unter Zugzwang. Zunächst einmal die Amerikaner. Denn es ist ein Unterschied, ob ich das Abkommen überhaupt nicht haben will oder ob ich es weiter ausformuliere. Für Trump wird es schwierig, für eine Kündigung des Abkommens zu argumentieren.
Bringt eine Folgevereinbarung auch die Iraner unter Zugzwang?
Ja. Ein Nachverhandeln bedeutet keinen Bruch des Abkommens. Gleichwohl ist es aus Teheraner Sicht eine Provokation. Wenn die iranische Regierung auf diplomatischem Weg wieder entgegenkommt, hat sie im Land erneut mit einer Gegenbewegung zu kämpfen. Leute würden die Regierung angreifen mit dem Argument, sie gebe alles weg. Gleichzeitig kann Teheran das Abkommen nicht als nicht mehr gültig betrachten.
Dividiert Macron mit seinem Vorschlag Europa auseinander?
Nein, das würde ich nicht so sagen. Die Situation ist sehr heikel. Das internationale System, in dem Demokratien den Ton angeben, funktioniert ohne die USA nicht. Ein einseitiger Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen würde zu einem Riss in den transatlantischen Beziehungen führen – und die EU, die durch den Brexit ohnehin geschwächt ist, noch schwächer machen. Es ist sinnvoll, eine Alternative zu suchen, die dieses Abkommen rettet. Rein völkerrechtlich ist es sehr schwierig. Aber wenn es um das Völkerrecht allein gehen würde, bräuchte man ja keine Diplomatie.
Die iranische Seite hat gesagt, es werde keine Nachverhandlungen geben. Ist das in Stein gemeisselt?
Dieser Punkt kommt zu einem äusserst ungünstigen Zeitpunkt für den iranischen Präsidenten Hassan Rohani, der mit massiven inneren Widerständen zu kämpfen hat. Die Frage ist, wie man Teheran zu Nachverhandlungen bringen kann, ohne dass das gesamte Paket aufgeschnürt wird. Eine weitere Frage: Wie stark besteht man auf eine Verknüpfung zwischen den Raketen und dem Atomabkommen. Und ob es in einer Sprache rüberkommt, die für Teheran akzeptabel ist. Ich glaube, es besteht eine geringe Chance, dass Iran, solange man dies nicht als Einlenken darstellt, zumindest diskutieren wird. Aber es wird schwierig.
In erster Linie ist es ein Abstecken und Ausloten von Handlungsspielräumen.
Teheran droht damit, wieder Uran anzureichern, wenn die Sanktionen wieder in Kraft treten sollten. Ist das eine reine Drohkulisse?
Nein. Macrons Vorschlag und die Reaktion von Teheran sind ein sehr geschicktes Spiel über die Bande. Macron spricht von einer Zusatzübereinkunft über die Raketen, die irgendwie mit dem Atomabkommen verknüpft wird. Damit wird das Abkommen nicht aufgekündigt. Die Iraner weisen darauf hin, dass bisher die Sanktionen nur schleppend aufgelöst worden seien.
Unternehmen haben nach wie vor keine internationale Rechtssicherheit, wenn sie nach Iran gehen. Und die Finanzströme machen weiterhin einen Bogen um den Iran. Wenn sich das alles nicht bessert, reichen die Iraner wieder Uran an. Ich gehe jedoch davon aus, dass es in dieser Phase in erster Linie ein Abstecken und Ausloten von Handlungsspielräumen ist. Beide Seiten müssen über die offizielle Diplomatie verhandeln. Man kann es nicht mit der viel effizienteren stillen Diplomatie machen, sondern muss in der Öffentlichkeit darüber reden.
Die Iraner halten sich, soweit wir sehen, an das Atomabkommen.
Was hat das Atomabkommen von 2015 in Iran bewirkt?
Es gab keine wirkliche Öffnung, weil es keine Sanktionserleichterungen gab. Das war ein hartes Abkommen. Es ging darum, wie die internationale Gemeinschaft sicherstellen kann, dass Iran aus seiner zivilen Nukleartätigkeit nichts zu militärischen Zwecken abzweigen kann. Die Iraner halten sich, soweit wir sehen, daran. Es gibt immer wieder Vorwürfe, Teheran habe irgendwas Geheimes am Laufen, aber davon ist nichts von der UNO bestätigt worden.
Unternehmen, die in Iran geschäften wollen, sehen immer noch das Damokles-Schwert aus den USA. Nämlich, dass sie von den Amerikanern auf eine schwarze Liste gesetzt werden könnten. Für Rohani ist es schwierig, zu argumentieren, dass sein Land im Gegenzug für das Atomabkommen einen Anschluss an die Weltwirtschaft erhalte. Das haben beide Seiten bis jetzt nicht geschafft.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.