Von dem Wenigen, das aus den Wiener Atomverhandlungen nach aussen dringt, lässt sich ablesen: Es ist ein Auf und Ab. Noch vorige Woche herrschte verhaltener Optimismus. Diese Woche nun ein Hauch von Panik.
Sand ins Getriebe brachten zwei Entwicklungen im Iran: Zum einen beharrt das Parlament darauf, die eigenen Unterhändler dürften gar keine Rückkehr zum Atomabkommen aushandeln. Denn man habe ja per Gesetz beschlossen, bewusst den Vertrag zu verletzen und Uran auf sehr hohe Werte anzureichern.
Leck: Irans Aussenminister spricht Klartext
Zum andern, und noch störender, sickerte durch ein Leck ein langes Gespräch des iranischen Aussenministers Mohammed Javad Zarif mit einem Berater durch. Es war nicht zur aktuellen Veröffentlichung gedacht, sondern als historische Dokumentation für die Zukunft.
Zarif sagt in dem Gespräch unverblümt, bei den Atomverhandlungen seien ihm selber und sogar Präsident Hassan Rohani die Hände gebunden. Den Takt gebe der Sicherheitsapparat an, allen voran die Revolutionsgarden.
Russland mit einschlägigen Interessen
Zarif enthüllt ausserdem, die Russen – in Wien mit am Tisch – seien nie wirklich an einem Abkommen interessiert gewesen. Denn sie dächten, ohne Atomabkommen mit westlichen Mächten sei es einfacher, den Iran in ihrer Einflusssphäre zu halten.
So wird das Vertrauen im Westen erschüttert, dass der Iran ernsthaft eine Rückkehr zum Abkommen anstrebt. Und damit stellt sich die Frage: Wer machte das Tondokument mit Zarifs Aussagen publik – ausgerechnet jetzt, in dieser kritischen Verhandlungsphase? Waren es die Hardliner in Teheran – mit dem Ziel, die Wiener Verhandlungen zu torpedieren?
Enttäuschte Hoffnungen auf beiden Seiten
Das Atomabkommen stand von Anbeginn unter keinem guten Stern. Denn die beiden Hauptwidersacher USA und Iran hatten sich erheblich mehr davon erhofft: In Teheran zählte man darauf, Washington werde – dem Geist des Abkommens entsprechend – alle Sanktionen aufheben und nicht nur jene, die ausdrücklich wegen Irans Atomprogramms verhängt wurden.
Die USA wiederum hofften, das Regime werde grundsätzlich seine feindselige Haltung aufgeben und Hand bieten zu Vereinbarungen auch über sein umstrittenes Raketenprogramm. Beide Seiten haben sich arg getäuscht. Und sind entsprechend enttäuscht.
Trumps Erbe
Das zentrale Problem ist zudem die nicht parallele Entwicklung in Washington und Teheran. Als sich der Iran noch korrekt an das Abkommen hielt und sein Atomprogramm herunterfuhr, regierte in den USA mit Donald Trump ein Präsident, der den «schlechtesten Vertrag aller Zeiten», wie er ihn nannte, in der Luft zerriss.
Jetzt, da Präsident Joe Biden das Abkommen wiederbeleben möchte und Vorbedingungen für eine Rückkehr fallenlässt, hat in Teheran der Wind gedreht und die Gegner des Abkommens haben Oberwasser.
Die Lage wird kritischer
Dabei ist offenkundig: Die Rettung des Abkommens wäre wichtig. Und dringlich. Die aktuelle Lage im Persischen Golf unterstreicht das. Dort belauern sich dieser Tage ständig amerikanische und iranische Kriegsschiffe und kommen einander gefährlich nahe. Platzen die Verhandlungen in Wien, ist der Weg zu einer veritablen militärischen Auseinandersetzung gefährlich kurz.