Singapur, Hanoi, Panmunjom – drei Begegnungen von zwei Staatschefs, die sich offenbar ganz gut verstehen. Bloss: Erreicht wurde bisher rein gar nichts. Substanzielle Verhandlungen über das nordkoreanische Atomprogramm fanden gar keine statt, sagt Mark Fitzpatrick, Experte für Massenvernichtungswaffen beim Strategieinstitut IISS.
Ende Woche soll sich das nun bei einem Treffen auf Arbeitsebene ändern. Tatsächlich herrscht auf beiden Seiten zunehmend Frustration. Die Nordkoreaner bezichtigten vor der UNO die Amerikaner, nichts zu tun.
Stillstand zwischen Pjöngjang und Washington
Am liebsten wären ihnen wohl gar keine Verhandlungen auf Arbeitsebene, sondern einfach imageträchtige Gipfeltreffen. Der Grund: Nordkorea fühlt sich zurzeit stark, sagt Jung Pak von der liberalen Denkfabrik Brookings, die zuvor Chefpositionen in den US-Geheimdiensten bekleidete: «In Pjöngjang sieht man, dass die Sanktionen löchriger werden und dass in Washington Konfusion herrscht rund um ein mögliches Amtsenthebungsverfahren. Ergebnis: Nordkorea blockiert. In 16 Monaten Diplomatie hat man im Grunde nichts erreicht. Man führt immer noch Gespräche darüber, Gespräche zu führen.»
In Washington ist man genervt über den Stillstand. Für Mark Fitzpatrick ist klar: «Beide Seiten müssen sich nun vom Maximalansatz verabschieden.» Die Nordkoreaner davon, dass zuerst die Sanktionen aufgehoben werden und dann erst über atomare Abrüstung geredet wird. Die USA von der vorgängigen Totalabrüstung, bevor an eine Sanktionslockerung zu denken ist. «Chancen hat einzig ein Schritt-für-Schritt-Vorgehen.»
Abgang von John Bolton als Chance
Ein Zwischenabkommen könnte so aussehen: Nordkorea friert sein Atom- und Raketenprogramm auf dem jetzigen Stand ein. Die USA gewähren eine begrenzte Erleichterung der Sanktionen. «Eine solche Vereinbarung hätte Chancen», glaubt Fitzpatrick, «denn Trump möchte unbedingt endlich einen Erfolg – und der grosse Bremser, Sicherheitsberater John Bolton, ist weg.»
Jung Pak ist skeptischer. Sie vermutet, die Nordkoreaner seien auch jetzt nicht bereit, über atomare Abrüstung zu verhandeln. An einen vollständigen Verzicht des Regimes auf Atomwaffen glauben ohnehin beide auf absehbare Zeit nicht.
Massive Aufrüstung in Nordkorea
Vorläufig passiert, von der Weltöffentlichkeit weitgehend ignoriert, sogar das Gegenteil. Das Kim-Regime nutzte nämlich die Phase der Diplomatie zu massiver Aufrüstung. «Es hat demonstriert, dass es Fortschritte macht, vor allem in der Raketentechnologie», sagt Jung Pak.
Zwar verzichtet Pjöngjang seit Ende 2017 auf Atom- und Interkontinentalraketentests. Das verringert zumindest die unmittelbare Kriegsgefahr. Doch die Herstellung von spaltbarem Material für Atombomben schreitet zügig voran.
Nordkorea hat 30 bis 40 Atombomben
Auf etwa dreissig Atombomben schätzt Mark Fitzpatrick das nordkoreanische Arsenal – fixfertige oder dank des vorhandenen Urans und Plutoniums in Kürze herstellbare. Andere Experten sprechen gar von vierzig Bomben. Das sind drei- oder viermal mehr als die meisten Atomwaffenstatistiken bisher ausweisen. Nordkorea ist also heute militärisch stärker als vor dem ersten Gipfel mit Donald Trump.
Das bedeutet: Die USA, aber auch der Rest der Welt, müssten allergrösstes Interesse daran haben, dass Washington und Pjöngjang endlich in ernsthafte Verhandlungen zwischen den jeweiligen Unterhändlern treten. Denn wenn es nicht endlich Fortschritte gibt, wird Nordkorea gefährlicher und gefährlicher.