Einen schlechteren Zeitpunkt als gerade jetzt für eine Staatenkonferenz zum UNO-Atombombenverbot gibt es nicht. Dies ist eine Sichtweise. Die andere: Es gibt keinen besseren Zeitpunkt. Seit Jahrzehnten war es nie so dringlich, über nukleare Totalabrüstung zu reden wie angesichts der aktuellen geopolitischen Konflikte.
Auf der einen Seite stehen die neun Atommächte USA, Russland, China, Grossbritannien, Frankreich, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea: Keine einzige will auf ihr nukleares Arsenal verzichten. Alle neun rüsten kräftig auf. Manche erhöhen die Zahl ihrer Atombomben. Manche modernisieren sie und machen sie so noch zerstörerischer. Einzelne tun gleich beides. Der russische Staatschef droht gar – was bisher als Tabu galt – explizit mit dem Einsatz von Atomwaffen.
Das Atomverbot ist jung
Auf der anderen Seite sind immerhin rund 90 Länder, die das UNO-Atombombenverbot, das 2021 in Kraft trat, unterzeichnet haben. 65 haben es bereits ratifiziert. Es sind indes nicht die einflussreichsten – eher Länder wie Österreich, Chile oder Kasachstan.
Auffallend: Keine einzige Atommacht ist dabei. Und kein Nato-Land, da sich das westliche Militärbündnis insgesamt als nukleare Allianz versteht. Auch die Schweiz steht abseits. Dennoch ist den Nuklearstaaten das Atomverbot nicht ganz egal – sonst würden sie es einfach ignorieren und nicht ihre Verbündeten bedrängen, ihm fernzubleiben.
Bessere Kontrollen
In Wien wurde diese Woche versucht, Alarm zu schlagen, neue Mitglieder für das Abkommen zu gewinnen und es zu konkretisieren. Etwa punkto Überprüfung nuklearer Abrüstungsschritte. Nirgendwo sonst ist der Satz «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser» so zentral wie hier, wo jeder jedem misstraut.
Die Positionen liegen weit auseinander. Befürworter von Atombomben glauben weiter an deren politisch stabilisierende Wirkung. Einzelne finden gar, Europa brauche eigene strategische Nuklearwaffen, also solche mit grosser Reichweite und verheerender Wirkung.
Atomare Abschreckung – eine veraltete Idee?
Für Atomwaffengegner hingegen funktioniert das Prinzip der atomaren Abschreckung bereits heute nicht mehr. Aktuelles Beispiel: Russland könnte ernsthaft erwägen, taktische Atomwaffen mit beschränkter Reichweite, aber auch enormen Zerstörungspotenzial im Ukraine-Krieg einzusetzen. Der Westen hätte darauf keine Antwort. Er würde kaum mit der Zerstörung Moskaus mit strategischen Nuklearwaffen antworten – weil er dann einen russischen Gegenschlag auf Berlin, London oder New York fürchten müsste.
Jedenfalls ist die Überlegung irritierend, dass mehr Atomwaffen die Welt sicherer machen. Die Forderung von UNO-Generalsekretär António Guterres «Wir müssen die Atomwaffen vernichten, bevor sie uns vernichten» ist nicht nur sympathischer, sondern auch plausibler.
Bloss ist der Weg dorthin, trotz löblicher Bemühungen auf der Wiener Staatenkonferenz, noch sehr lang und sehr steinig. Derzeit stimmt nicht einmal die Richtung.