In mehreren chinesischen Städten gingen am Wochenende Tausende auf die Strassen, um gegen die Null-Covid-Politik der Regierung zu demonstrieren. Der Unmut in der Bevölkerung hat sich auch verstärkt, weil China gerade die grösste Corona-Welle seit Beginn der Pandemie vor knapp drei Jahren erlebt.
Wie organisiert waren die Proteste? Die Proteste fanden in über einem Dutzend der chinesischen Provinzen gleichzeitig statt. «Das gab es in diesem Ausmass noch nie», sagt der ehemalige China-Korrespondent von SRF, Pascal Nufer. Die Proteste wurden aber nicht klar organisiert, schätzt er. Aus seiner Sicht stünden einzelne Personen aus den verschiedenen Provinzen informell miteinander in Kontakt.
Was ist besonders an den Protesten? Der Unmut über die Null-Covid-Politik und deren Folgen ziehe sich durch die ganze chinesische Bevölkerung, sagt China-Experte Nufer. «Davon sind alle Schichten betroffen, sowohl arme Wanderarbeiter als auch die reiche Stadtbevölkerung.» Die Regierung stehe darum mit dem Rücken zur Wand: Einerseits müsse sie Zugeständnisse bei den Massnahmen machen, aber auch hinter ihrer Politik stehen, dass sie glaubwürdig bleibe.
Wie reagieren die Behörden auf die Proteste? Die Polizei hat ihre Präsenz in verschiedenen Städten verstärkt. Berichte und Aufnahmen in den sozialen Medien zeigen etwa, dass Sicherheitskräfte in Schanghai die Telefone von Passanten kontrollieren. Dabei ist überprüft worden, ob ausländische Apps wie Twitter, Instagram oder Telegram auf den Telefonen installiert sind. Es wird auch berichtet, dass Bilder gelöscht werden müssen.
Unter der starken Kontrolle scheinen die Proteste auf den Strassen vorerst gestoppt. Auf den digitalen Kanälen wie etwa WeChat sind kritische Stimmen weiterhin laut. WeChat mit seinen über 1.2 Milliarden Nutzern monatlich ist eine beliebte App, die unter anderem zum Chatten, Einkaufen und Bezahlen genutzt wird.
Was unternimmt die Regierung gegen die Online-Proteste? Den kritischen Beiträgen auf WeChat versucht die chinesische Zensurbehörde mit ständig neuen Begriffsfiltern beizukommen. So sind laut Medienberichten auch die Namen der Städte gesperrt worden, wo Proteste stattgefunden haben.
«Um die Zensur zu umgehen, nutzen die Leute alternative Begriffe oder Umschreibungen», sagt Nufer. Die Zensurbehörden aktualisieren darauf ihre Filter. «Sie kommen damit aber nicht nach. So entsteht ein Katz-und-Maus-Spiel.»
Ein Beispiel dafür ist der Begriff «weisses Papier» – ein Symbol der Proteste. Nachdem die Behörden ihn gesperrt haben, wurde «A4» als Hinweis auf das Papierformat genutzt, wie etwa die BBC berichtet. Später tauchte «A3» in den Online-Beiträgen auf.
Weshalb kontrolliert die Polizei auf Telefonen auch ausländische Apps? Die Protest-Beiträge landen auch auf Seiten wie Twitter, Instagram oder Telegram. Auf diese Seiten haben Chinesen aber eigentlich keinen Zugriff. Um sie zu nutzen, braucht es eine VPN-Verbindung, also den Internetzugriff übers Ausland. So kann man sich der chinesischen Zensur entziehen. «Der Gebrauch von VPN ist eine rechtliche Grauzone in China», sagt Nufer.
Die Handy-Kontrollen der Polizei wertet er als Einschüchterungsversuche. «Es geht darum, ein Exempel zu statuieren. Die Öffentlichkeit bekommt so mit, dass andere Menschen auffliegen.»