Der Anfang war ein falsches Versprechen: Die neuen Opioid-Pillen helfen gegen Schmerzen, sie machen aber nicht abhängig. Das behaupteten die Hersteller. Besonders berüchtigt: Purdue Pharma. Das Unternehmen vermarktete aggressiv das Schmerzmittel Oxycontin. Die Pille wurde im grossen Stil verschrieben und führte die Menschen in die Abhängigkeit. Die Folge ist immenses menschliches Leid und wirtschaftlicher Schaden.
Tausendfach wurden Pharmaunternehmen verklagt, von den Regierungen der Bundesstaaten und von einzelnen Städten und Gemeinden. Die Journalistin Aneri Pattani ist spezialisiert auf die Vergleiche, die erreicht wurden, mit Opioid-Herstellern, mit Grosshändlern, mit Apothekenketten.
Abhängigkeit führte zu mehr Verbrechen
Pattani sagt: «Generell gilt: Mindestens 85 Prozent dieses Geldes müssen für die Milderung der Schäden der Opioid-Krise ausgegeben werden. Doch hier gibt es viel Raum für Interpretation. Einige Bundesstaaten werden etwa sagen: Wir mussten jahrelang Geld für unsere Polizei ausgeben, weil die Opioide zu mehr Verbrechen führten. Andere wollen das Geld für Drogenprävention in den Schulen ausgeben. Es kommt sehr darauf an, wer darüber bestimmt, wie das Geld eingesetzt wird.»
Ein Grossteil des Geldes ist zweckgebunden, wenigstens im weiteren Sinn. Damit wolle man verhindern, was in den 1990er Jahren schiefgelaufen sei: Damals musste die Tabakindustrie Hunderte von Milliarden Dollar zahlen. Bundesstaaten gaben das Geld für allerlei aus; ein Teil kam sogar Tabakbauern zugute. Das heisse nicht, dass bei den Opioid-Geldern nun klar ist, wofür sie ausgegeben werden, sagt Pattani. Sie arbeitet für die Plattform KFF Health News, die zu Gesundheitsthemen recherchiert.
«Generell sind die Leute von der fehlenden Transparenz enttäuscht. Eltern, die Kinder wegen einer Überdosis verloren, betroffene Familien: Sie sehen das als Blutgeld. Sie wollen, dass es sinnvoll eingesetzt wird», so die Journalistin.
Synthetisches Opioid: Fentanyl
Derweil geht das Sterben weiter. Die Zahl der Überdosis-Toten hat in den letzten zehn Jahren enorm zugenommen, vor allem wegen eines starken synthetischen Opioids: Fentanyl, das illegal auf der Strasse gekauft wird.
Fachleute hoffen, dass das Opioid-Geld für Prävention und Behandlungsmethoden verwendet wird. Es fehle an Massnahmen, die in der Schweiz längst Standard sind: Fixerstübli etwa, Räume also, wo Abhängige mit sterilen Spritzen konsumieren können, sagt Barbara Andraka-Christou, Expertin für Drogenpolitik an der University of Central Florida. Häufig basiere die Behandlung von Süchtigen auf reiner Abstinenz statt auf Therapien mit Ersatz-Opioiden wie Methadon.
Es gelte, in solche Programme zu investieren, sagt Andraka-Christou. «Der Druck, das Geld sinnvoll einzusetzen, ist sehr gross. Ich hoffe, dass die Bundesstaaten und die Gemeinden sich auf wissenschaftliche Fakten stützen und sich für Methoden entscheiden, die sich als wirkungsvoll erwiesen haben, und nicht nur für Therapien, die auf reine Abstinenz setzen.»
Jahrzehntelang führten die USA einen «war on drugs» (dt. Krieg gegen Drogen). Abhängige wurden massenhaft eingesperrt, Therapie war zweitrangig. Die Milliarden der Pharmaindustrie werden die Opioid-Krise wohl nicht beenden, sie könnten aber dazu beitragen, dass sich die US-Drogenpolitik in eine andere Richtung bewegt.