Das serbische Militär ist laut US-amerikanischen Angaben an der Grenze zu Kosovo aufmarschiert. Die USA sprechen von einem beispiellosen Aufgebot von Artillerie und Panzern. Das bestätigen auch Bilder von der Grenzregion. Serbien bestreitet die Vorwürfe. SRF-Auslandredaktor Janis Fahrländer schätzt die Situation ein.
SRF News: Wie ist die Warnung aus den USA zu verstehen?
Janis Fahrländer: Dass die USA diesen Aufmarsch öffentlich gemacht und so deutliche Worte dafür gewählt haben, ist ein Signal an die Adresse des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic. Ich denke, die USA wollen Druck auf ihn ausüben und ihm signalisieren, dass er nun aktiv zur Deeskalation beitragen soll.
Wie realistisch ist ein Einmarsch Serbiens in den Kosovo?
Ein direkter Einmarsch ist in meinen Augen unrealistisch. Das würde auf eine Konfrontation mit der Nato hinauslaufen. Sie ist in Kosovo mit etwa 4500 Soldaten der Schutztruppe Kfor präsent. Erst gestern wurde angekündigt, dass das Kontingent erneut aufgestockt werden soll. Es ist schwierig vorstellbar, dass sich Serbien auf so eine Konfrontation einlassen will, weil das Land danach international isoliert wäre.
Ich denke daher, dass der Truppenaufmarsch eine Drohgebärde ist. Trotzdem ist es eine gefährliche Situation. Die Spannungen sind seit dem Anschlag von vergangenem Sonntag hoch. Dieser Militäraufmarsch ist jetzt ein weiterer destabilisierender Faktor.
Ein direkter Einmarsch ist in meinen Augen unrealistisch.
Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Militäraufmarsch und dem Anschlag vergangenen Sonntag?
Das liegt auf der Hand. Dafür spricht schlicht und einfach die zeitliche Nähe, zumal der Aufmarsch laut den USA bereits eine Woche andauert, also zeitgleich mit diesem Anschlag. Es sind weiterhin viele Fragen offen. Den Grund für den Aufmarsch kenne man nicht, betonte der Sprecher des amerikanischen Sicherheitsrates am Freitag. Auch die Hintergründe des Anschlages sind weiterhin unklar. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Aktion vergangenen Sonntag wohl nicht so geplant war, wie sie stattgefunden hatte. Was genau der Plan war und wer dahintersteckt, das ist noch unklar.
Der serbische Politiker und Geschäftsmann Milan Radoicic hatte sich zum Anschlag bekannt. Er sagte, er habe das alles auf eigene Faust organisiert und durchgeführt. Wie passt das zusammen?
Genau, Radoicic liess am Freitag über seinen Anwalt verlauten, dass keine staatlichen Stellen Serbiens involviert oder darüber informiert gewesen seien. Es ist schwierig zu glauben, dass dies alles ohne das Wissen der serbischen Sicherheitsorgane passiert sein soll.
Radoicic ist der Vizevorsitzende der Partei der Kosovo-Serben. Sie steht unter Kontrolle von Vucics Partei. Die beiden Männer stehen sich erwiesenermassen sehr nahe und auch das Ausmass des Anschlags ist so gross, dass es unrealistisch ist, dass diese Aktion ohne Unterstützung durchgeführt werden konnte. Für Kosovo ist klar, dass der serbische Staat bei diesem Anschlag seine Finger im Spiel hatte. Serbien bestreitet dies jedoch weiter vehement, hat allerdings bislang keine eigene Erklärung für die Ereignisse vorgelegt.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.