Seit dem Tod der Studentin Mahsa Amini gibt es in Iran Proteste. Tausende Menschen demonstrieren gegen die Regierung – und auch gegen das islamische System.
Ein Schlaglicht werfen die Proteste auch auf die schwierige Beziehung des Regimes zur kurdischen Minderheit. Denn die junge Frau hatte kurdische Wurzeln.
Mahsa Amini war mit ihrer Familie von Kurdistan nach Teheran gekommen. Dort wurde sie von der Sittenpolizei aufgegriffen, weil sie das Kopftuch nicht vorschriftsmässig getragen haben soll.
«Bis zu diesem Punkt hat es wohl keine Rolle gespielt, dass sie Kurdin ist», glaubt ARD-Korrespondentin Karin Senz. Sie verfolgt die Geschehnisse aus Istanbul.
Dass das Ganze ein kurdisches Element bekommen könnte, wurde für die deutsche Journalistin an Aminis Beerdigung am Tag nach ihrem Tod offenbar. «Die Anteilnahme der kurdischen Minderheit in Iran war sehr, sehr gross.»
In Iran stellen die Kurden etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Sie leben meist in den westlichen Provinzen des Landes. Derzeit ist es schwierig, an belastbare Informationen aus dem Land zu kommen, da das Regime das Internet lahmgelegt hat.
Die Menschenrechtsorganisation Hengaw allerdings ist in den kurdischen Regionen bestens vernetzt und sehr aktiv. «Sie schafft es auch, Informationen aus dem Land herauszubekommen», sagt Senz. Hengaw berichtet von heftigen Protesten im iranischen Kurdistan. Laut Hengaw kamen dabei bislang 23 Menschen ums Leben, weit über 1000 wurden verletzt.
Angriff auf Kurden im Nordirak
Das Regime versucht, die Proteste zu unterbinden. Doch sie greift nicht nur dort hart durch. Letzte Woche hat Iran kurdische Einrichtungen im Nachbarland Irak mit Raketen und Drohnen angegriffen. Mindestens 13 Menschen kamen dabei ums Leben.
«Die Angriffe galten unterschiedlichen kurdischen Gruppen, die sich auch nicht immer grün sind», weiss Senz. Ein Alarmsignal für Teheran könnte gewesen sein, dass der irakische Kurdenführer Masud Barzani mit Aminis Familie telefoniert hatte.
Beim Regime machten sich offenbar Ängste breit: Nämlich, dass die Unterstützung aus dem Nordirak die kurdische Separatistenbewegung im eigenen Land befeuern könnte. «Also hat Iran, wie Experten sagen, einen Warnschuss an die Kurden im Nordirak abgegeben», berichtet Senz. «Die Botschaft: Kommt bloss nicht auf die Idee, das zu eurer Sache zu machen!»
Schon der Schah unterdrückte und erstickte die kurdische Separatistenbewegung.
Im Vielvölkerstaat Iran gab es schon vor der islamischen Revolution Spannungen zwischen den Kurden und Teheran. Bereits der Schah unterdrückte – und erstickte – die kurdische Separatistenbewegung. Nach seiner Machtübernahme 1979 warnte auch Ayatollah Khomeini die Kurden vor jeglichem Aufmucken.
Die deutsche «Zeit» sieht im Tod von Mahsa Amini nicht nur ein Symbol für die Unterdrückung der Frauen, sondern auch für die Unterwerfung des kurdischen Volkes. Senz drückt es so aus: In den landesweiten Protesten lasse sich auch eine Solidarität unter «den Menschen zweiter Klasse» in Iran feststellen, nämlich der Frauen und der Kurden.
Sinnbild davon: Die ursprünglich kurdische Parole «Frau, Leben und Freiheit» hat sich bei Demonstrationen im ganzen Land etabliert. Die jahrzehntelang angestaute Wut der Kurden vermischt sich also mit derjenigen der Frauen – und wird zum Aufschrei der Unterdrückten in Iran.