Die Worte von Wladimir Putin hätten deutlicher nicht sein können. In seiner Ansprache im Staatsfernsehen sprach er von Verrat und einem Dolchstoss in den Rücken der Armee. Den Namen des Putsch-Initiators, Jewgeni Prigoschin, nannte er nicht. Dies alleine spricht Bände, wie Wladimir Putin zu Prigoschin, seinem ehemaligen Koch und verurteilten Kriminellen, nun steht. Denn der russische Präsident pflegt die Namen seiner Gegner nicht zu nennen. In der Nacht auf heute ist Prigoschin zu einem der grössten Feinde Putins geworden.
Eine Bedrohung für den Kreml
Zwischen dem Anführer der Söldner-Gruppe Wagner und der russischen Militärführung tobt seit Monaten ein Machtkampf. Putin hat dem lange zugesehen, doch nun ist Prigoschin zu weit gegangen. Sein Putschversuch ist kein Zeichen von Stärke, sondern der Schritt eines Getriebenen, dem sein Einfluss bei Putin entglitten ist.
Prigoschin stellt unmittelbar den Machtanspruch von Wladimir Putin infrage und stürzt Russland in eine innenpolitische Krise, die das Land seit Jahrzehnten nicht erlebt hat. Wer das Verteidigungsministerium führt und den Krieg in der Ukraine verantwortet, das bestimmt nur Putin. Zweifel daran kann sich Putin nicht leisten.
Prigoschins Fehleinschätzung
Wenn Prigoschin hofft, mit seinem «Marsch der Gerechtigkeit» gegen die Führung der Armee eine Mehrheit der Russen hinter sich zu versammeln, hat er sich verrechnet. Die vergangenen Monate haben deutlich gezeigt, dass die meisten Menschen in Russland sich auf den Standpunkt stellen, dass der Krieg gegen die Ukraine nichts mit ihnen zu tun hat.
Verlässliche Umfragen sind in Zeiten des Krieges nicht verfügbar, doch alleine die Emigrationswelle nach Ausrufung der Teilmobilisierung zeigte, wie es um die Kampfbereitschaft in weiten Teilen der russischen Bevölkerung steht. Die Bilder von gesperrten Fernstrassen im Süden Russlands und Checkpoints vor den Toren Moskaus lösen bei den Menschen Angst vor einem Bürgerkrieg aus. Dies zeigen auch Videos aus Rostow, in denen Stadtbewohner zu sehen sind, die mit Wagner-Söldnern diskutieren und sie zum Aufgeben auffordern – das sei das Geheiss des Präsidenten.
Ein verlorener Kampf
Prigoschin spricht davon, die Front in der Ukraine mit seinem Putschversuch nicht zu schwächen. Dies ist jedoch unmöglich: Jede grossangelegte bewaffnete Auseinandersetzung im Inland nimmt Ressourcen von der Front, wo die russische Armee die ukrainische Gegenoffensive abzuwehren versucht.
Noch ist es kein Bürgerkrieg, sondern ein Kampf zwischen Söldnern und dem russischen Sicherheitsapparat. Prigoschins Chancen stehen schlecht. Zu gross ist der Sicherheitsapparat, der hinter dem Präsidenten steht. Ein Rückhalt für Prigoschin innerhalb der Eliten zeichnet sich nicht ab. Prigoschin dürfte scheitern – wie Putin im Krieg gegen die Ukraine auch scheitern dürfte. Es ist nur eine Frage der Zeit.