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Aufstand in Russland Wie ernst ist die Gefahr für Putin? Die wichtigsten Antworten

Der Konflikt zwischen der russischen Armee und der Söldnertruppe Wagner ist eskaliert. Söldnerchef Prigoschin marschiert mit seinen Kämpfern in Richtung Moskaus. Putin spricht von «Verrat» und «Meuterei». SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Wie ernst ist die Putschgefahr für Putin?

Putin ist immer noch der Alleinherrscher in Russland und er hat in seiner Ansprache effektiv versprochen, Prigoschins Aufstand gewaltsam niederzuschlagen. Die Sicherheitskräfte und die Armeespitze dürften Putin ergeben sein. Es bleibt jedoch die Frage, wie die einfachen Soldaten auf den Befehl reagieren, innerhalb Russlands auf andere russische Soldaten zu schiessen. Das dürfte auch Putin beschäftigen, weswegen er die Wagner-Söldner dazu aufgefordert hat, sich zu ergeben.  

Die Söldner der Wagnertruppen ziehen Richtung Moskau: die Bilder

Wieso kam es zu diesem bewaffneten Aufstand der Wagner-Truppen?

Die Grossinvasion in der Ukraine hat bittere Rivalitäten innerhalb der russischen Streitkräfte hervorgebracht. Nun kommt es zu einer massiven Eskalation. Das Verteidigungsministerium hat in den letzten Wochen versucht, Prigoschins private Wagner-Söldner unter seine Kontrolle zu bekommen; sie sollten einen Vertrag mit der Armee unterschreiben. Prigoschin hat sich aber geweigert, denn seine Söldner-Armee hat ihn zu einem einflussreichen Player in Russland gemacht. Die Frist für die Einreichung des Vertrags verstreicht am 1. Juli, Prigoschin fühlte sich offenbar unter Zugzwang. Nach dem nächtlichen Haftbefehl gegen ihn hat er entschieden, das Verteidigungsministerium gewaltsam zu konfrontieren. Die «Spezialoperation» scheint ausser Kontrolle zu geraten. 

Prigoschin hatte in der Vergangenheit immer wieder provoziert. Was ist diesmal anders?

Bislang war Prigoschins Kritik am Verteidigungsministerium zwar heftig, aber verbal geblieben. In der russischen Elite gingen viele davon aus, dass Putin und sein engster Kreis Prigoschin benutzten, um die Armeeführung unter Druck zu setzen. Man nahm an, dass Prigoschins scharfe Statements von Putin gebilligt oder gar abgesegnet waren. Jetzt wird klar, dass Prigoschin eigenständig handelt und glaubt, mithilfe seiner Wagner-Söldner die Armeeführung direkt herausfordern zu können

Was erwartet uns in den kommenden Stunden?

Nach der Ansprache Putins ist klar, dass es zu keiner Deeskalation kommen wird. Prigoschin ist jetzt ein Staatsfeind, er hat keine andere Wahl, als aufs Ganze zu gehen. Es treffen inzwischen Berichte ein, wonach seine Truppen die Stadt Woronesch eingenommen hätten, das ist schon näher an Moskau als Rostow (Woronesch ist 520 Kilometer von Moskau entfernt). Prigoschins Aufstand scheint auf eine blutige Konfrontation hinauszulaufen. 

Wie wird dieser Aufstand den russischen Angriffskrieg in der Ukraine beeinflussen?

Die Wagner-Söldner boten Russland einerseits viele entbehrliche Truppen, die rekrutierten Häftlinge wurden als Kanonenfutter eingesetzt. Andererseits gibt es bei Wagner viele erfahrene und gut ausgebildete Kämpfer. Trotzdem ist die reguläre Armee zahlenmässig letztlich viel stärker. Die Frage ist nun, wie sich diese Ereignisse auf die Stimmung in der Armee niederschlagen. Prigoschin und Wagner genossen unter einfachen Russinnen und Russen, auch unter Soldaten, ein gewisses Ansehen.

SRF 4 News, 24.06.23, 8.30 Uhr ; 

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