Die EU ist zurzeit stark mit sich selbst beschäftigt. Neben der Aufarbeitung des Korruptionsskandals im EU-Parlament gibt es auch andere entscheidende politische Fragen, die der Gipfel klären muss. Etwa die Positionierung in einem möglichen Handelsstreit mit den USA. Europa wirft der Regierung von Präsident Biden vor, eigene Unternehmen im Klimabereich so zu subventionieren, dass europäische Firmen benachteiligt werden. Mit welchen Massnahmen die EU dem milliardenschweren US-Subventionspaket entgegentreten könnte, erklärt Korrespondent Charles Liebherr.
Über diese Optionen debattiert die EU: Für eine Antwort auf das US-Subventionspaket liegen drei Optionen auf dem Tisch. Erstens wird mit den USA immer noch verhandelt, ob EU-Firmen doch noch gleichbehandelt werden könnten wie jene etwa aus Kanada oder Mexiko, die bekanntlich Teil einer Freihandelszone sind. Da sind die Aussichten eher schlecht, dass das gelingt.
Darum die zweite Option: Auch die EU soll kurzfristig ihre Regeln für staatliche Beihilfen für Investitionen in den Klimaschutz massiv lockern. Hierfür forderten die 27 Staats- und Regierungschefs schon für kommenden Januar Vorschläge der Kommission. Als dritte Option bleibt die Auflage eines europäischen Investitionsfonds analog zu den USA. Dies würde heissen, dass mehr gemeinsame Schulden gemacht werden müssen.
Handelsstreit oder auch «Wettlauf»: De facto scheint es sehr wahrscheinlich, dass der Handelsstreit bereits lanciert ist. Um es nicht «Streit» nennen zu müssen, sprechen zwar alle von einem «Wettlauf». Doch die EU reagiert tatsächlich auf wettbewerbsverzerrende US-Subventionen mit wettbewerbsverzerrenden EU-Subventionen.
Das ist aber schon länger im Gang, denn in der EU wird bereits eine Industriepolitik auf europäischer Ebene praktiziert: Die Europäische Batterie-Allianz, der EU-Chip-Act, Repower EU im Energiesektor und wie all diese Milliardenprogramme heissen. Nun wird alles noch ausgeweitet auf weitere Sektoren, was tatsächlich einem Handelsstreit sehr nahekommt und stark an den einstigen Streit der Flugzeughersteller Airbus und Boeing erinnert.
Der umstrittene zusätzliche Subventionstopf: Die Schaffung eines sogenannten «Souveränitätsfonds» spaltet zurzeit noch stark. Etwa so, wie der Corona-Wiederaufbaufonds anfänglich auch spaltete, dann aber einstimmig beschlossen wurde. Beim Souveränitätsfonds rümpfen vor allem die Niederlande, Deutschland, Österreich und die nordischen Länder aktuell noch die Nase. Sie weisen darauf hin, dass aus dem Corona-Fonds noch viel Geld zur verteilen wäre.
Wie die Debatte in Schwung kommt, wird davon abhängen, wie stark die EU-Wirtschaft in den kommenden Monaten einbricht. Klar ist aber: Eine namhafte Zahl von Ländern stellt die Forderung nach einem Souveränitätsfonds. Gewiss ist im Moment nur, dass diese Debatte laut und gehässig wird.