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Auftragsmord in Deutschland? «Der Kreml möchte diesen Konflikt eher klein halten»

Im August wurde mitten in Berlin ein Georgier tschetschenischer Herkunft am helllichten Tag erschossen. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe hat nun den Fall an sich gezogen, weil er von einem russischen Auftragsmord ausgeht. Moskau weist dies weit von sich. Doch eine grosse diplomatische Krise werde die Sache nicht nach sich ziehen, glaubt SRF-Korrespondent David Nauer – Russland habe sich um andere Konflikte zu kümmern.

SRF News: Deutschland vermutet, dass es sich beim toten Georgier um einen russischen Auftragsmord handelt. Wie reagiert Russland darauf?

David Nauer: Moskau hält sämtliche Vorwürfe aus Berlin für unbegründet und hat heute gesagt, dass das Handeln der deutschen Behörden, zwei russische Diplomaten auszuweisen, ein unfreundlicher Akt sei. Aus russischer Sicht hat man in dieser Sache also überhaupt nichts falsch gemacht.

Der Georgier, der in Berlin ermordet wurde, hatte tschetschenische Wurzeln. Warum könnte er Russland ein Dorn im Auge gewesen sein?

Er war eine schillernde Figur. Er hat im zweiten Tschetschenien-Krieg ab dem Jahr 2000 gegen russische Regierungstruppen gekämpft und ist somit ein Gegner des tschetschenischen Gewaltherrschers Ramsan Kadyrow, der seinerseits mit dem Kreml verbündet ist. Zudem hat der Getötete später in Georgien gelebt und es gibt Hinweise, dass er mit dem georgischen Geheimdienst und möglicherweise auch mit ukrainischen Behörden zusammengearbeitet hat.

«Es war fast wie eine Hinrichtung»

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Ekkehard Maaß
Legende: Imago

Ekkehard Maaß, Präsident der deutsch-kaukasischen Gesellschaft und Konsul einer tschetschenischen Exilregierung, kannte den Ermordeten persönlich. «Leider war er naiv und ich auch. Wir haben nicht damit gerechnet, dass Russland es wagt, am helllichten Tag mitten in Berlin, mitten in Europa einen solchen Mord durchzuführen. Es war ja fast wie eine Hinrichtung.» Der Ermordete habe keine politischen Ziele gehabt, er sei auch kein Politiker gewesen, sondern «ein relativ einfacher Mensch, der im zweiten Tschetschenien-Krieg meinte, seine Landsleute gegen die Russen unterstützen zu müssen», so Maaß.

Zusammenfassend kann man sagen, dass er an verschiedenen Fronten gegen russische Interessen tätig gewesen ist und entsprechend viele und mächtige Feinde hatte – mutmasslich auch in Russland. Und es hat ja zudem schon früher ziemlich professionell organisierte Anschläge auf ihn gegeben. Die waren allerdings gescheitert. Er selber wusste also, dass er in Gefahr ist.

Nun weist Deutschland zwei russische Diplomaten aus. Russland droht mit diplomatischer Vergeltung. Was wird passieren?

Es ist damit zu rechnen, dass Russland ebenfalls zwei deutsche Diplomaten ausweist. Das ist in solchen Konflikten eigentlich üblich. Staaten halten sich da an die Regel «Wie du mir, so ich dir», und so wird es wahrscheinlich auch Russland handhaben. Allerdings gibt es in solchen Fällen manchmal auch Überraschungen. Man wird abwarten müssen, wie die Reaktion ausfällt.

Staaten halten sich da an die Regel ‹Wie du mir, so ich dir›, und so wird es wahrscheinlich auch Russland handhaben.

Am Montag sind in Paris Gespräche mit Frankreich, der Ukraine und Deutschland über eine Lösung des Konflikts in der Ostukraine geplant. Sind diese nun in Gefahr?

Ich denke eher nicht. Klar gibt es nun eine Verstimmung zwischen Deutschland und Russland, das hört man hier auch in Moskau. Aber diese Verstimmung scheint mir eher milde zu sein, wenn man vergleicht, was Russland sonst so für Konflikte hat auf der Welt. Präsident Wladimir Putins Sprecher hat auch bereits gesagt, dass das Normandie-Treffen nicht in Gefahr sei, und andere Sprecher von Politikern haben sich ähnlich geäussert.

Wahrscheinlich sind für beide Staaten die Ukraine-Verhandlungen in Paris wichtiger als der Mord in Berlin.

Der Kreml möchte diesen Konflikt mit Deutschland eher klein halten. Zudem war auch die Reaktion von Deutschland eher zurückhaltend mit der Ausweisung von «nur» zwei russischen Diplomaten. Man könnte auch sagen, dass wahrscheinlich für beide Staaten die Ukraine-Verhandlungen in Paris wichtiger sind als der Mord in Berlin.

Das Gespräch führte Danièle Hubacher.

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