Im Vergleich zum Resten Chinas, galt Hongkongs Medienlandschaft lange als geradezu paradiesisch. Freie Meinungsäusserung, Kritik am System und vor allem auch Kritik an der Kommunistischen Partei in Peking waren feste Bestandteile der Berichterstattung.
Die Speerspitze bildete die Boulevardzeitung «Apple Daily», gegründet und geführt vom umtriebigen Geschäftsmann und Pekingkritiker Jimmy Lai, der selber aus politischen Gründen im Gefängnis sitzt. Diese Woche dürfte nun auch das definitive Ende seiner Zeitung mit dem angebissenen Apfel im Logo bedeuten.
Am letzten Donnerstag stürmten über 500 Polizisten die Redaktionsräume des «Apple Daily», seither blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Gelder wurden eingefroren und fünf Journalisten festgenommen. Das Medienunternehmen «Next Digital» , das unter anderem den «Apple Daily» herausgibt, ist handlungsunfähig geworden und muss wohl noch diese Woche für immer den Betrieb einstellen. Die Tageszeitung, die mit ihrem Logo mit dem biblischen Sündenfall kokettiert, war der pekingtreuen Fraktion in Hongkong schon lange ein Dorn im Auge.
Journalisten zittern
Seit der Einführung des drakonischen Sicherheitsgesetzes gilt offene Kritik an Pekings Regierung als mögliche Gefährdung der Sicherheit. Kritischer Journalismus wird damit tatsächlich zum Sündenfall, wie das Exempel nun deutlich zeigt. «Was wir gerade erleben, ist der Lackmustest für die Rede- und Pressefreiheit in Honkong», beschreibt Tom Grundy, der Chefredaktor der Nachrichtenplattform «Hongkong Free Press» die neusten Entwicklungen. Es sei eine grosse Zäsur, die sich jedoch schon länger abgezeichnet hatte. Dass nun aber die Zeitung schon Ende Woche ganz eingestellt werde soll, sei ein grosser Schock.
Wir versuchen uns möglichst nicht einschüchtern zu lassen.
Grundy, der mit seinem Newsportal ebenfalls mit Argusaugen beobachtet wird, wählt seine Worte mit Bedacht. Die Bedeutung der Schliessung von Apple Daily lasse sich nicht schönreden, sagt er gegenüber SRF. «Das lässt viele Journalisten hier erschaudern und zittern.» Auch er muss damit rechnen, eines Tages Besuch von den Sicherheitskräften zu erhalten.
Wachsende Selbstzensur unter Journalisten
In einem früheren Interview erzählte er, dass man als Medienunternehmen heute seine Computer und Festplatten besser anketten sollte. Wie genau er sich und seine Angestellten vor einem ähnlichen Schritt schütze, will er nicht ausführen. «Wir versuchen uns möglichst nicht einschüchtern zu lassen», wiegelt er ab. Da sein Portal nur in englischer Sprache publiziere und nicht in Kantonesisch, geniesse die «Hongkong Free Press» noch etwas mehr Spielraum als andere lokale Zeitungen, meint Grundy.
Klar ist: Seit die Regierung in Peking den Hongkongern das neue Sicherheitsgesetz aufgebrummt hat, ist die einst blühende Medienlandschaft der ehemaligen Kronkolonie am welken. Tom Grundys grösste Sorge ist die wachsende Selbstzensur unter den Journalistinnen und Journalisten. «Es ist nicht klar, wo die rote Linie verläuft. Die Gefahr ist nun, dass man über viele Themen nicht mehr berichtet, nur schon aus Angst, die Linie zu überschreiten.»