Frankreichs Regierung hat für Eléctricité de France grosse Pläne: Sie will die Stromproduktion massiv steigern. Die Verstaatlichung des Energiekonzerns EDF ist darum Teil des Regierungsprogramms, welches Premierministerin Elisabeth Borne vor zwei Wochen im Parlament verkündet hat. Dies werde EDF helfen, Frankreichs Zukunft in der Energiepolitik zu sichern.
Der Staat offeriert den privaten Aktionären 12 Euro pro Aktie. Dies liegt zwar rund ein Drittel über dem Tageskurs der EDF-Aktien, als Premierministerin Borne ihre Regierungserklärung abgab. Aber diese 12 Euro sind deutlich weniger als die Hälfte, die eine EDF-Aktie bei der Ausgabe vor über 16 Jahren gekostet hatte. Dies zeigt: Der französische Energiekonzern hat handfeste Probleme.
Viele Atommeiler stehen derzeit still
Dies liegt vor allem am wichtigsten Standbein, der Atomindustrie. Die Hälfte der 56 Atomkraftwerke sind derzeit nicht am Netz. Ein Teil davon, weil die regelmässigen Wartungsarbeiten als Folge des Pandemie-Stillstands im Verzug sind. Zwölf weitere Kraftwerke wurden ausser Betrieb genommen, nachdem an zentralen Stellen der Reaktoranlagen Korrosionsprobleme entdeckt wurden.
Gleichzeitig gab es beim Ausbau neuer Kapazitäten Verzögerungen. Die für 2012 geplante Inbetriebnahme eines neuen Druckwasserreaktors im Kraftwerk Flamanville etwa wurde kürzlich erneut auf Mitte 2023 verschoben. Die ursprünglich berechneten Kosten von rund 3.3 Milliarden Euro dürften um das Vierfache überschritten werden.
Gewinne privatisieren, Verluste verstaatlichen?
Der Energiekonzern EDF sitzt auf einem Schuldenberg von rund 60 Milliarden Euro, der weiter wachsen wird. Mit der Privatisierung des Stromkonzerns im Jahr 2005 wollte die Regierung potenzielle Gewinne privatisieren, sagen Kritiker. Mit der Nationalisierung würden nun Verluste verstaatlicht.
Wirtschaftsminister Bruno Le Maire widerspricht. Nationale Eigenständigkeit bei der Energie habe keinen Preis – dies hätten in diesem Frühjahr der Krieg in der Ukraine und die Abhängigkeit der europäischen Staaten von russischem Gas gezeigt.
Die Verstaatlichung des Stromkonzerns EDF sei darum eine strategische Entscheidung, mit der Frankreich seine Unabhängigkeit bei der Energieproduktion verstärke.
Engpässe mit Folgen für die Schweiz
Doch das ist Zukunftsmusik. Vorläufig korrigierte EDF die Prognosen der Stromproduktion nach unten und warnte vor Engpässen, vor allem im kommenden Winter. Also in jener Zeit, während der normalerweise auch die Schweiz mit Lieferungen von Atomstrom aus Frankreich rechnet.
Auch Präsident Emmanuel Macron hat sich inzwischen in die Diskussion eingeschaltet. In seinem Interview zum Nationalfeiertag am 14. Juli kündigte er einen nationalen Energiesparplan an. Verbraucht weniger – dieser Ton ist auch in Frankreich neu in der Diskussion um Energie. Bisher ging es immer darum, die Produktion zu steigern.