Mehr als 15’300 Fälle von Menschenhandel gab es gemäss den neuesten Zahlen, jenen von 2018, in den Mitgliedstaaten des Europarates. Immun gegen dieses Verbrechen ist kein Land. Dazu komme «eine sehr hohe Dunkelziffer», sagt Petya Nestorova, die Exekutivsekretärin der Expertengruppe für Menschenhandel beim Europarat.
Die offiziell gemeldeten Zahlen sind unvollständig, denn manche Länder registrieren nur Fälle, in denen es bereits zu einer Verurteilung kam, andere hingegen auch solche mit laufenden Justizverfahren oder Verdachtsfälle.
Menschenhandel in vielen Wirtschaftszweigen
Traditionell verbreitet ist die kriminelle Ausbeutung von Menschen in der Prostitution. Doch längst habe, so Nestorova, der Menschenhandel auch andere Wirtschaftszweige erfasst: die Baubranche, die Landwirtschaft, das Gastgewerbe, die Hausbediensteten.
Immer öfters gehe es auch darum, die Identität von Menschen für kriminelle Zwecke zu nutzen. Oder es gehe um Organhandel. Zwar gibt es auch den sogenannten «Loverboy-Fall», in dem ein Mann seine Geliebte zur Prostitution nötigt. Doch in der Regel stecken nicht Einzeltäter hinter dem Menschenhandel, sondern die organisierte Kriminalität, international vernetzte Banden.
Gewisse Länder schauen genauer hin
Doch was erklärt die irritierend hohe Zunahme um fast die Hälfte binnen weniger Jahre? Zumindest teilweise ist es eine positive Entwicklung, nämlich dass manche Länder die Gesetze strenger anwenden, weil aktive Nichtregierungsorganisationen Druck machen – was beispielsweise die sehr hohen Fallzahlen in Grossbritannien erklärt.
Die Hauptursache für den grassierenden Menschenhandel seien aber die wachsende Migration und die Asylbewerbergemeinschaften. «Unter prekären Bedingungen lebende Menschen sind besonders leicht als Zwangsarbeiter ausbeutbar, sozusagen ideale Opfer», sagt Nestorova. Menschenhändler rekrutierten deshalb nicht zuletzt dort, wo Asylbewerbern keinerlei legalen Arbeitsmöglichkeiten offenstehen.